Die Lutherdekade steuert auf ihren Höhepunkt zu: Am 31. Oktober ist der 500. Jahrestag des Thesenanschlags durch Martin Luther, der damit die Reformation und die Geburt der evangelischen Kirche eingeleitet hat.

Viel ist in diesen zehn Jahren geschehen, auch in ökumenischer Hinsicht. Sei es die gemeinsame Pilgerfahrt von Kardinal Reinhard Marx und dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Seien es die gemeinsamen Gottesdienste, die unter den Zeichen der Versöhnung und der Annäherung standen. Oder die Erklärungen der beiden großen christlichen Kirchen, die bei aller Unterschiedlichkeit im Detail das verbindende Element der Heiligen Schrift in den Vordergrund stellten. Vor 50 Jahren wäre so viel Gemeinschaft noch undenkbar gewesen.

Dennoch erscheinen all diese Bestrebungen wegen eines kleinen, aber entscheidenden Punkts als halbherzig: Ein gemeinsames Abendmahl haben Katholiken und Protestanten bisher nicht zustande gebracht.

Daher trifft Heinrich Bedford-Strohm den Nagel auf den Kopf, wenn er am 27. August in der Wittenberger Stadtkirche bei einem Festgottesdienst der Internationalen Ökumenischen Gesellschaft erklärt, dass eine Kirche, in der sich Katholiken und Protestanten zwar als Schwestern und Brüder ansprechen, am Tisch des Herrn aber getrennt bleiben, keine Kirche ist, die in der modernen Welt Orientierung bieten könne.

Und diese Orientierung ist bitter nötig, wenn die christlichen Kirchen künftig noch eine tragende Rolle spielen wollen. Dort, wo bislang allgemein christliche Werte und auch die Identifikation mit der eigenen Amtskirche standen, wirken immer häufiger Egoismus, manchmal auch Nationalismus. Wer sich nicht dem Duktus »Jeder ist sich selbst der Nächste« hingibt, findet sein Heil auch in Religionen, die ihren Glaubensanhänger programmatisch packen, andere wandern in teils esoterische Spiritualität ab.

Dabei haben doch die christlichen Kirchen mit ihrem gewichtigen Pfund »Bibel« und der Botschaft Christi so faszinierend viel zu bieten. Und der als Christ Geborene äugt heutzutage kaum noch auf das Gesangbuch seines Nächsten, wie das vielleicht vor 50 Jahren noch der Fall war, sondern findet die Gemeinsamkeit in Jesus wichtig.

Wenn man dann beim zentralen Zeichen des christlichen Glaubens – dem Abendmahl – aber plötzlich ausgeschlossen wird: Wie glaubwürdig ist dann die ganze Ökumene noch? Christen beider großen Konfessionen müssen den 31. Oktober 2017 zu einem Auftakt machen, nicht zu einem Schlusspunkt.

 

Was denken Sie? Schreiben Sie an Sonntagsblatt-Redakteur Timo Lechner: tlechner@epv.de