Die Hälfte Ihrer Amtszeit ist um. Wie würde Ihre Halbzeitansprache ausfallen?

Bedford-Strohm: Wenn ich ein Fußballtrainer wäre, würde ich der Kirche raten, weiterhin nach vorne zu stürmen – klug und besonnen, damit am Ende nicht die Kräfte ausgehen. Den Teamgeist müssen wir weiter stärken, die einzelnen Kirchengemeinden sollten ihre jeweiligen Stärken noch mehr für das große Ganze der Kirche fruchtbar machen. Wie im Fußball kann die Kirche als Mannschaft nur gewinnen, wenn sie gut zusammenspielt.

 

Was war für Sie bisher das besondere Highlight?

Bedford-Strohm: Ganz klar das Reformationsjubiläum. Ich hatte nicht erwartet, dass am 31. Oktober die Menschen in langen Schlangen vor den Kirchen stehen und die Gottesdienste überfüllt sein würden. Das Reformationsjubiläum hat die Menschen weit über die Kirche hinaus bewegt und gezeigt, welche Bedeutung dieser Tag, vor allem seine Inhalte, wie etwa der Begriff der evangelischen Freiheit, für die gesamte Gesellschaft hat. Das hat letztendlich auch zur Einführung des Reformationstags als Feiertag in Norddeutschland und zu einer generellen Diskussion über kirchliche Feiertage, auch in Bayern, geführt, über die ich mich sehr freue.

 

Sie sind nicht nur bayerischer Landesbischof, sondern zugleich auch EKD-Ratsvorsitzender. Ist diese Ämterkombination sinnvoll?

Bedford-Strohm: Natürlich lebe ich in einem dauernden Spagat zwischen den beiden Ämtern, die jedes für sich schon mehr als ein Fulltime-Job sind, und mit zwei prallvollen Terminkalendern. Ich wusste aber von vornherein, auf was ich mich einlasse. Was oft auf der Strecke bleibt, ist Zeit für Privates. Ich nehme aber regelmäßig meinen Urlaub, den ich über das Jahr verteile. Und unendlich dankbar bin ich meiner Frau, die gerade im Reformationsjahr mit seinen zeitlichen Belastungen besonders viel mitgetragen hat. Insgesamt halte ich diese Kombination für sehr sinnvoll. Die Gottesdienste in bayerischen Dörfern und Städten, die ich regelmäßig halten darf, sind für mich eine ganz große Kraftquelle. Umgekehrt nehme ich von der Kirche in Ostdeutschland, die ich als Ratsvorsitzender kennenlerne, für mein Amt als bayerischer Landesbischof die Erfahrung mit, dass wir nicht krampfhaft auf zurückgehende Zahlen starren müssen. Denn eine Kirche mit engagierten Pfarrern und Ehrenamtlichen kann auch aus einer Minderheitensituation heraus viel bewegen für Menschen und Gesellschaft, kann im besten Sinne "Salz der Erde" sein. Für mich ist es jedenfalls heute wie zum Beginn meiner Amtszeit eine große Freude, dass ich für eine Sache unterwegs sein darf, die mir tief im Herzen wichtig ist.

 

Wenn der Bischof oder gar der Ratsvorsitzende auftaucht, ist das für die Gemeinden doch immer eine Sondersituation. Bekommen Sie deshalb überhaupt ein realistisches Bild Ihrer Kirche?

Bedford-Strohm: Mir ist sehr bewusst, dass es immer besondere Gottesdienste sind, wenn der Bischof kommt. Und auch aus meinen Erfahrungen als ehemaliger Gemeindepfarrer weiß ich sehr wohl, dass die Gottesdienste manchmal nur schwach besucht sind, dass manchmal auch beste Bemühungen der Pfarrerinnen und Pfarrer nicht die Resonanz finden, die sie verdienen. Richtig ist aber auch, dass zu den Festgottesdiensten Menschen kommen, die sich ihrer Kirche verbunden fühlen und das zu diesen besonderen Gelegenheiten zeigen. Bei all diesen Gelegenheiten habe ich ausführlich Gelegenheit zum Gespräch und ermutige Menschen ausdrücklich, mir auch kritische Dinge zu sagen. Auf diese Begegnungen als Landesbischof würde ich nie verzichten wollen. Denn diese Erfahrungen kann ich in unsere Diskussionen in der Kirchenleitung einfließen lassen, aber auch in mein Amt als Ratsvorsitzender einbringen, nicht zuletzt auch im Kontakt zur bundesweiten Politik. Die engagierten Menschen vor Ort mit ihrer Liebe zur Kirche, die ich als Landesbischof kennenlerne, sind für mich eine Inspiration. Darauf würde ich als Ratsvorsitzender nie verzichten wollen.

 

Heinrich Bedford-Strohm
»Die engagierten Menschen vor Ort mit ihrer Liebe zur Kirche sind für mich eine Inspiration.«

Zur Kommunikation gehören für Sie aber auch Handy, Facebook und Social-Media. Klinken Sie sich davon immer mal wieder bewusst aus?

Bedford-Strohm: Während meines Diensts geht das nicht. Dazu laufen in meinen beiden Ämtern zu viele Dinge zusammen, über die ich am Ende selbst entscheiden muss. Meine Mails versuche ich irgendwie zwischendrin zu beantworten – in Sitzungspausen, in meinem rollenden Büro im Auto, aber auch, wenn in einem überfüllten Zug auf dem Boden sitze. Im Urlaub schalte ich natürlich ab. Und das gelingt auch sehr gut, selbst wenn ich gelegentlich mal in meine Mails schauen muss. Das muss jeder lösen, wie es für ihn oder sie passt.

 

Auch in der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit werden Sie Probleme begleiten, wie etwa der Umgang mit der AfD, insbesondere bei den anstehenden Kirchenvorstandswahlen.

Bedford-Strohm: Es geht aus meiner Sicht nicht um die drei Buchstaben einer Partei, und es geht auch nicht darum, dass die Kirche irgendjemanden von vornherein ausgrenzt. Entscheidend sind die Inhalte. Es gibt in der AfD führende Leute, die Gedankengut aus der Zeit des Nationalsozialismus wieder salonfähig zu machen versuchen. Denen geben auch diejenigen eine Legitimität, die nicht so denken, aber sich für diese Partei engagieren. Es gibt rote Linien, die niemand überschreiten darf. Dazu gehören Antisemitismus und Rassismus genauso wie die pauschale Abwertung ganzer Menschengruppen. Es kann jedenfalls nicht sein, dass jemand im Sonntagsgottesdienst für unser christliches Menschenbild und die von Gott gegebene Ebenbildlichkeit jedes Menschen zu stehen meint, sich die restlichen sechs Tage der Woche aber für das genaue Gegenteil einsetzt.

 

Auch die Ökumene bleibt sicherlich ein Thema. Wird es bald ein gemeinsames Buch von Ihnen und Kardinal Marx geben?

Bedford-Strohm: Ich nehme die Idee gerne mit. Wir beide haben ähnliche Einschätzungen in vielen Dingen. Über diesen starken gemeinsamen theologischen Grund freue ich mich.

 

Insgesamt ist die Ökumene wegen der katholischen Irritationen um die Zulassung von Protestanten zur Kommunion aber doch in ein schwieriges Fahrwasser geraten.

Bedford-Strohm: Das sehe ich nicht so. Deshalb habe ich auch ganz bewusst den Presseberichten auf die erste Reaktion des Papstes widersprochen. Denn vor allem in seinem Interview auf dem Rückflug vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf hat der Papst deutlich gemacht, dass es keine ökumenische Bremse geben soll. Er hat sogar gesagt, dass die Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz zur Zulassung zum Abendmahl in manchem noch weiter gehen könnte. Das ist eine völlig andere Botschaft als das Gros der Zeitungsüberschriften, die es vorher gegeben hatte. Unterm Strich bleibt, dass ein drei Viertel der deutschen katholischen Bischöfe die Handreichung beschlossen haben. Dabei hat mich ganz besonders berührt, dass diese Handreichung mit einem klaren Bezug auf das Reformationsjubiläum und insbesondere den gemeinsamen Gottesdienst in Hildesheim beginnt. Auch das zeigt, wie richtig und wegweisend es war, dass wir das Reformationsjubiläum ökumenisch gefeiert haben. Durch das Reformationsjubiläum und die katholische Handreichung hat die Ökumene jedenfalls eine gehörige Portion Rückenwind bekommen. Dass der ökumenische Weg nicht einfach ist und dabei immer wieder Hürden überwunden werden müssen, war uns immer klar. Aber zu diesem Weg gibt es keine Alternative.

 

Haben Sie einen Schwerpunkt für die zweite Amtshälfte?

Bedford-Strohm: Das Thema Jugend ist mir sehr wichtig. Das ist natürlich zuerst einmal eine Herausforderung, weil die Kirche für viele Jugendliche nicht cool ist, weil sich die Welten auseinanderentwickelt haben. Gleichzeitig sehe ich aber viel Engagement und Aufbrüche, wenn beispielsweise 20 000 Jugendliche im Reformationsjahr zum Konfi-Camp nach Wittenberg gekommen sind. Wie Studien zeigen, kann ein guter Religions- und Konfirmandenunterricht die Biografien der Menschen prägen. Evangelische Jugendliche engagieren sich übrigens in einem signifikant höheren Maß auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen als ihre Altersgenossen. Der Schlüssel, mit dem wir junge Menschen erreichen können, ist Beteiligung und die Möglichkeit, selbst zu gestalten. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass junge Menschen angemessen in Gremien vertreten sind. Da tun sich Jugendliche zwangsläufig schwer, weil sie allein schon wegen ihres Alters nicht so bekannt sind und deshalb weniger gewählt werden. Ein wichtiger Schritt war deshalb, dass die Jugendvertreter in der bayerischen Landesssynode endlich das volle Stimmrecht haben.