So schnell gibt Gerd Müller nicht auf. Als bei den Koalitionsverhandlungen andere Namen für die Leitung des Entwicklungsministeriums auftauchten, meldete der 62-jährige CSU-Politiker unmissverständlich seinen Anspruch an. "Ich würd' mich freuen, wenn ich mein eigener Nachfolger würde", sagte Müller vor kurzem in Brüssel. Seit vier Jahren leitet der Bauernsohn aus dem Allgäu das Ressort, das sich mit Landwirtschaft und Fußballplätzen in Afrika wie mit Solarenergie in Indien und Textilarbeiterinnen in Bangladesch befasst.

In der Flüchtlingsdebatte bezog Müller klar Position: Es sei eine Illusion, zu glauben, dass Europa sich durch Mauern und Grenzen abschotten könne, schrieb der Schwabe auch seinen Parteifreunden ins Stammbuch. Sein Marshall-Plan mit Afrika, der vor allem sogenannte Reformpartnerschaften mit den Ländern und Privatinvestitionen ankurbeln soll, trug ihm die Bezeichnung "Marshall Müller" ein.

"Marshall-Müller" im Einsatz

Im Zuge der Flüchtlingskrise erreichte Müller eine deutliche Aufstockung des Entwicklungsetats auf über acht Milliarden Euro (2017). Die Bekämpfung von Fluchtursachen erkor er zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit, während die Opposition ihm allerdings vorhielt, vor allem Mittel umgeschichtet zu haben. Auch mit plakativen Forderungen nach einem EU-Nothilfefonds, einem EU-Flüchtlingskommissar oder einem EU-Afrika-Kommissar erntete er Kritik. Der Grünen-Politiker Uwe Kekeritz spricht von "PR-Manövern ohne Substanz".

Als wichtigen Erfolg wertet Müller das von ihm 2014 initiierte Textilbündnis, das zu besseren Arbeitsbedingungen in Fabriken in Asien führen soll. Nun aber bröckelt der Zusammenschluss, und zu einem Gütesiegel "grüner Knopf" kam es schon gar nicht. Rund 140 Firmen, Gewerkschaften und Hilfsorganisationen gehören der Initiative an, die auf freiwillige Selbstverpflichtungen setzt. Doch als die Unternehmen sich nun erstmals konkrete Ziele setzen sollten, traten wichtige Firmen aus. Der Geschäftsführer des Textildiscounters KiK, Patrick Zahn, beklagt, dass die Mitglieder nun nicht einmal mehr die Hälfte des deutschen Marktes abdecken.

 

Entwicklungsminister Gerd Müller
Entwicklungsminister Gerd Müller

Müller will Weltminister und Zukunftsminister sein, neigt zu plakativen Aussagen, geißelt die "Geiz-ist-geil-Mentalität" und appelliert unermüdlich an die Verbraucher, Kaffee, T-Shirts und Jeans aus fairem Handel zu kaufen. "Jeder trägt Verantwortung auf der Haut", betont der Katholik, der die Nähe zu kirchlichen Hilfswerken sucht. "Wir können unseren Wohlstand nicht länger auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern leben." Auch boykottierte er die Olympischen Spiele in Brasilien - aus Protest gegen die sozialen und ökologischen Folgen für die Bevölkerung.

Die Opposition hält ihm allerdings vor, dass er sich im Kabinett zu wenig für ein gerechtes Handelssystem mit Entwicklungsländern eingesetzt hat - und sich nicht dagegen sträubt, dass Mittel aus dem EU-Entwicklungsetat für Grenzsicherung zur Flüchtlingsabwehr verwendet werden dürfen.

An Spontaneität mangelt es ihm nicht

An Spontaneität fehlt es dem ehemaligen Landwirtschaftsstaatsekretär nicht. So lässt er bei einem Nigeria-Besuch schnell Computer für Schülerinnen organisieren - und in Kolumbien möchte er unbedingt eine Kokapflanze sehen, weil er nicht so genau weiß, wie die aussehen. Launige Selbstironie zeigt er auf dem evangelischen Kirchentag, als er stürmischen Applaus erntet für eine weitere Forderung - nämlich die Globalisierung durch ökologisch-soziale Mindeststandards gerechter zu gestalten: "Ich bin der Entwicklungshilfeminister, ich bin nicht der Redner von Attac."