Persönliche Schutzkleidung fehlt in ambulanten Pflegediensten genauso wie in Kliniken und Arztpraxen. Für Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), ist das ein klares Staatsversagen.

"Es scheint so zu sein, dass es in Deutschland keine ausreichende Vorbereitung für einen solchen Ernstfall gab", sagte der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler im Gespräch mit dem Sonntagsblatt: "Dass es an diesen Hilfsmitteln fehlt, hat seinen Grund auch in fehlendem Geld für die nötige Vorratshaltung."

Janssens widersprach der Einschätzung vieler Politiker, dass eine solche Krisensituation nicht vorhersehbar gewesen sei. "Schon im Jahr 2013 gab es einen Plan bezüglich einer möglichen SARS-Pandemie. Hätte man darauf zurückgegriffen, hätten entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden müssen." Die Lage sei eigentlich schon sehr früh vorhersehbar gewesen.

Corona-Krise: Krankenhäuser und andere Stellen hatten nicht genügend Vorräte zugelegt

Die fehlende Beschaffung sei aber nicht nur dem Bund und den Ländern zuzurechnen, auch die Krankenhäuser und andere Stellen hätten sich nicht genügend Vorräte zugelegt. Dazu habe das Geld gefehlt.

Versprochene Schutzausrüstungen sei nicht geliefert worden und es habe keine Transparenz gegeben, wo solches Schutzmaterial überhaupt vorhanden sei. Janssens: "Für einen solch großen Ernstfall muss es in Zukunft klare Regelungen geben."

Bund und Länder müssten sich einigen, wie und in welchem Umfang Vorsorge getroffen werde. Es dürfe sich nicht wiederholen, dass "das alles zulasten der Krankenhäuser, der niedergelassenen Ärzte oder auch der Pflegeheime und weiteren sozialen Einrichtungen geht".

Der Staat müsse notfalls Schutzkleidung auch beschlagnahmen können. "Die Gesetze der freien Marktwirtschaft dürfen in diesem Szenario nicht mehr zur Anwendung kommen. Es besteht eine Notlage und der muss mit entsprechenden Maßnahmen entgegengetreten werden."

Corona: Schutzkittel werden besonders dringend gebraucht

Nach seiner Beobachtung sei es jüngst zu einer leichten Entspannung bei der Beschaffung vor allem von Schutzmasken gekommen. "Es bleibt aber abzuwarten, was ein starker Anstieg schwer erkrankter Patienten für die Ausstattung mit Schutzausrüstung bedeutet." Derzeit würden Schutzkittel besonders dringend gebraucht.

Schließlich fand der DIVI-Präsident klare Worte über die Folgen dieses Mangels in allen medizinischen und pflegerischen Bereichen: "Wenn Schutzkleidung nicht mehr vorhanden wäre, könnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Patienten nicht mehr adäquat versorgen. Hier geht Eigenschutz vor Fremdschutz."  Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin DIVI hat ihren Sitz in München.