Die Bad Kissinger*innen sind stolz auf ihre Geschichte. Monarchen und Politiker wie Otto von Bismarck hielten sich im Norden Bayerns bereits zur Kur auf - man ist laut Umfragen heute der "bekannteste Kurort Deutschlands" und außerdem seit einiger Zeit zusammen mit zehn weiteren Kurstädten Unesco-Welterbe. Nicht ganz so stolz dürfte man in Bad Kissingen derzeit jedoch auf ein anderes Thema blicken: den Tarifkonflikt ums dortige Kurorchester, die Staatsbad Philharmonie.
Fronten sind verhärtet
Kurz zusammengefasst geht es in dem teilweise seit Jahren schwelenden Streit um die Löhne und die Arbeitsbedingungen der zehn Berufsmusiker*innen, die weltweit als einziges Profiorchester noch in der sogenannten großen Berliner Salonorchester-Besetzung spielen. Träger des Kurorchesters ist die Staatsbad GmbH, ein Unternehmen, das der Stadt Bad Kissingen mehrheitlich gehört - zusammen mit dem Freistaat. Chef des Orchesters ist also irgendwie auch Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD).
Die Fronten zwischen dem Orchesterträger, der nach außen offiziell von Staatsbad-Geschäftsführerin Sylvie Thormann vertreten wird, sowie den Musiker*innen sind einigermaßen verhärtet - denn die bestehen darauf, sich bei den Tarifverhandlungen von der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) vertreten zu lassen. "Dass ein SPD-Kommunalpolitiker diesen Wunsch ignoriert, das macht uns fassungslos", sagt eine DOV-Sprecherin. Zumal auch Vogels SPD-Vorgänger ähnlich agiert habe.
Viele Konzert-Besucher*innen haben Verständnis
Seit Monaten machen die Musiker*innen rund um Orchesterleiter und Intendant Burghard Tölke auf ihre Situation aufmerksam. Mal tragen sie bei einem Konzert Streikwesten, mal ziehen sie in einem öffentlichen Protestmarsch zum Büro des Oberbürgermeisters. "Die Reaktionen sind ziemlich gemischt", sagt Tölke. Viele Konzert-Besucher*innen hätten Verständnis, andere wiederum - vor allem in den sozialen Medien - werfen den Musiker*innen wegen ihrer Forderungen Raffgier vor.
Die Forderungen der Staatsbad Philharmonie
Die Schilderungen, wie Arbeitsbedingungen und Löhne bei der Staatsbad Philharmonie sind, gehen weit auseinander - je nachdem, wen man fragt. Tölke und die DOV berichten von Durchschnittslöhnen von monatlich 3.000 Euro, Sonderzahlungen oder Feiertagszuschläge gibt es keine. 13 Kurkonzerte pro Woche sollen sie spielen, darunter auch an jedem Feiertag mit Ausnahme des Karfreitags. Hinzu kommen die ganzen Arbeiten drumherum, vom Auf- und Abbau bis zur Aufgabe des Notenwarts.
Diese Belastungen und Anforderungen seien für diese Bezahlung zu hoch, sagen Orchesterchef und Gewerkschaft. Stadt und Staatsbad hingegen sehen die Lage anders. Der Oberbürgermeister hat vor kurzem öffentlich vorgerechnet: Bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden seien 13 einstündige Konzerte machbar, die Bezahlung sei an den Tarifen der kommunalen Musikschullehrer angelehnt. Dies sei ein "faires und sorgsam austariertes Maßnahmenpaket", erläuterte der Rathauschef.
Die DOV bläst angesichts solcher Aussagen zum "finale furioso": Zum einen, weil die Gewerkschaft nicht mal zu Gesprächen eingeladen wird, sondern die Musiker lediglich zu Einzelgesprächen mit der Geschäftsführerin vorgeladen werden. Zum anderen aber auch, weil das Angebot keine regelmäßigen Lohnsteigerungen beinhaltet. "Das monatliche Einstiegsgehalt in der untersten Vergütungsgruppe für öffentlich bezuschusste Orchester liegt bei gut 3.000 Euro - ohne Zulagen", sagt eine DOV-Sprecherin.
Reaktionen auf die Forderungen der Musiker*innen
Nach den kreativen Protestaktionen der Musikerinnen und Musiker, mehreren Stellungnahmen des DOV sowie Antworten der Stadt- und Staatsbad-Spitze ist die Atmosphäre "vergiftet", sagt der DOV. Zwei Musikern wurde in der Probezeit gekündigt, trotz musikalischer Bestnoten. Das ruft inzwischen auch die Solidarität anderer Profimusiker hervor. Mitglieder der Staatsphilharmonie Nürnberg haben dem OB einen offenen Brief geschrieben und unterstützen die Forderungen des Kurchorchesters.
"Letztlich geht es auch - neben den finanziellen Aspekten - um die mangelnde Wertschätzung für unsere Arbeit", sagt Intendant und Violinist Tölke. Das Kurorchester mit seinem Repertoire von mehr als 3.000 Stücken sei Aushängeschild und Werbeträger für Bad Kissingen. Warum die Musiker trotz des Konflikts bleiben wollen? "Zum einen, weil es Orchester in dieser Besetzung anderswo nicht mehr gibt, zum anderen, weil wir unser Publikum und unsere Konzertsäle hier lieben", erläutert Tölke.
"Man muss diskutieren"
Staatsbad-Geschäftsführerin Thormann reagierte schriftlich auf eine Anfrage zum Tarifkonflikt. Man könne wegen "der unterschiedlichen Arbeitgeberstellungen" keine Tarifverhandlungen für das ganze Orchester führen - das heißt: weil derzeit nicht alle Musiker*innen die selben Arbeitgeber*innen haben. Im übrigen wird auf das Statement des OB vom 22. September verwiesen: Man biete den Musiker*innen Arbeitsbedingungen, die sich gerade in Krisenzeiten viele Kulturschaffende wünschen würden.
Auf detaillierte Fragen des Evangelischen Pressedienstes (epd) allerdings hat der OB bislang nicht reagiert - dazu habe er bislang "keine Gelegenheit" gehabt. Am 30. Juli, anlässlich der Verleihung des Unesco-Welterbetitels, hatte Vogel gesagt: "Man muss sich auf einen Dialog einlassen, man muss diskutieren. Nur dann kommt man zu guten Lösungen." Daran müsse sich Vogel nun messen lassen, findet DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens: "Insbesondere als Mitglied der SPD."