Fünf Manuale und 165 Register live auf der Großbildleinwand, vergnügliche Moderationen zwischen den Stücken und in der Pause ein Schoppen Orgelwein zum Flanieren – da vergisst man schnell, dass zwei Stunden Sitzen in der kalten Lorenzkirche bei ernster Musik im Prinzip kein leichtfüßiges Kulturerlebnis ist. Moderator und Lorenzkantor Matthias Ank und der aus Folkwang stammende Stangier, Professor für Orgel und Orgelimprovisation und in diesem Jahr "organist in residence" an der wohl bedeutendsten gothischen Kathedrale Bayerns, schafften aber den Spagat.
"Nicht nur Händel und Gretel" lautete das launige Motto des Abends. In der Tat standen dabei gleich mehrere Stücke von Georg Friedrich Händel sowie mit der "Abendsegen-Fantasie" aus Engelbert Humperndicks Oper "Hänsel und Gretel" namensgebende Werke auf dem Programm. Doch diese bildeten lediglich eine vage Klammer des multimedialen Konzertmarathons, bei dem sämtliche 12156 Pfeifen der größten in einer evangelischen Kirche in Deutschland stehenden Orgel erklangen.
Größte evangelische Orgel in Deutschland
Wie facettenreich das Instrument ist, davon konnten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer bei diesem abwechslungsreich registrierten Konzert überzeugen. Auf dem Notenpult lagen mit Werken von Charles Marie Widor oder Arthur Foote Kompositionen auf, die nicht in jeder "Orgel-Jukebox" zuhause sind und so manches Aha-Erlebnis für das Ohr bereithielten. Gustav Holsts "Jupiter" aus der Suite "The Planets" war da schon eines der bekannteren Stücke. Roland Maria Stangier entführte bei seiner Interpretation in kosmische Welten, wechselte dabei spielerisch von Manual zu Manual und entlockte den drei Lorenzer Orgeln ihre gesamte klangliche und dynamische Bandbreite.
Der Zimbelstern läutete das Ende der Pause ein, in der die Gäste ein Glas "Orgelwein" verkosten und sich in der Kirche umsehen und ins Gespräch kommen konnten. Auf einem Notenblatt am Eingang durften dabei Vorschläge für Improvisationen eingereicht werden, denen Stangier am Ende des Konzerts nach einer furiosen Prélude des französischen Orgelprofessors Marcel Dupré Töne einhauchte. So unterschiedliche Themen wie "Ach wie flüchtig, ach wie nichtig" nach der gleichnamigen Kantate von Johann Sebastian Bach, das lutherische Weihnachtslied "Fröhlich soll mein Herze springen" oder das aus dem Film-Klassiker "Casablanca" bekannte "As time goes by" wurden dabei mit Tasten und Pfeifen bearbeitet.
Die rund zwei Stunden vergingen während der "Orgel-Gala" wie im Flug und ließen aufhorchen zum Motto der Lorenzer Kirchenmusik im Jahr 2023: "Alles hat seine Zeit".