Professor Kessler, was ist eigentlich Glück?
Christof Kessler: Aus der Sicht der Hirnforschung hängt das Erleben von Glücksgefühlen sehr eng mit Motivation und Belohnung zusammen. Es gibt im Gehirn ein spezielles Zentrum, das "Belohnungs- und Motivationssystem", welches dafür sorgt, dass wir in bestimmten Situationen Glück empfinden. Wenn wir etwas Schönes erleben oder eine Aufgabe bewältigt haben, signalisiert uns dieses Zentrum: "Gut gemacht!", und es wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Im Ergebnis fühlen wir uns stolz und glücklich, und, besonders wichtig: Wir sind motiviert zu neuen Anstrengungen, um diesen Moment des Glücks wiederholen zu können.
Kann man Glück üben, gibt es Methoden, sich häufiger glücklich zu fühlen?
Christof Kessler: Dieser Frage habe ich ein ganzes Kapitel gewidmet: Denken macht unglücklich. Das klingt zwar absurd, ist aber in den Neurowissenschaften erwiesen. Das Gehirn hört niemals auf zu arbeiten, es rattert und rattert und findet keine Ruhe. Dieses Grübeln ist eng verbunden mit dem Gefühl des Unglücklichseins. Was können wir dagegen tun? Wir können unser Gehirn durch Unterbrechung dieses Teufelskreises zur Ruhe bringen. Wir schauen uns einen Baum, eine Blume, eine Landschaft oder einen Gegenstand genau an. Diese Technik der Achtsamkeit beginnt auch dort, wo wir bewusst Musik hören oder ein Buch lesen. Viel Medienkonsum und die Präsenz von Internet und Bildern aus dem Fernsehen überfordern unser Gehirn und machen uns unglücklich.
Kann man Glücksgefühle manipulieren?
Christof Kessler: Es gibt leider eine Abkürzung zum Glück, denn ohne viel Anstrengungen lässt sich das Glückssystem auch durch Alkohol oder Drogen stimulieren. Das heißt: Eine Sucht gaukelt uns Glück vor, sie bedient sich der gleichen Mechanismen wie das Glückssystem in unserem Gehirn. Um das Glückssystem anzukurbeln, müssen wir uns nicht mehr anstrengen, es reicht eine Flasche Wein, eine Zigarette oder ein Joint. Das ist das Gefährliche an der Sucht.
Manche Menschen fallen nach einem Hochgefühl des Glücks in ein Loch. Kann man das vermeiden?
Christof Kessler: Das Glückssystem ist auch dazu da, um uns zu motivieren. Wenn wir zufrieden mit einem Erlebnis sind und das Gefühl des Glücks uns durchströmt, dann wollen wir das wiederhaben. Das spornt uns an zu neuen Leistungen oder neuer Kreativität. Die Entwicklung der Zivilisation ist nur durch dieses biologisch wichtige System vorangetrieben worden. Das Loch nach einem Hochgefühl des Glücks gibt es eigentlich nicht, weil das Gehirn diesen Glückszustand wiederholen möchte.
Was macht Sie selbst glücklich?
Christof Kessler: Der Moment der Achtsamkeit, das genauere Hinschauen, sich mehr Ruhe gönnen. Und sportliche Betätigung, regelmäßig immer wieder den Körper anstrengen – das macht mich glücklich.
Buch-Tipp
Christof Kessler, Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung, Bertelsmann Verlag 2017