Wenn man vom Eisernen Steg auf die Kirche St. Oswald blickt, erkennt man eine durchhängende Dachlinie. Fast 30 Zentimeter hat sich die Konstruktion im Lauf der Jahre gesenkt. Um das denkmalgeschützte Gotteshaus zu stabilisieren, wird eine Hilfskonstruktion eingebaut, erläutert Martin Schulte, erster Pfarrer der Dreieinigkeitskirche, zu der die Filialkirche gehört. Im Anschluss sollen noch Risse im Mauerwerk beseitigt werden; auch der Untergrund muss abgesichert werden, denn die Kirche wurde vor etwa 700 Jahren auf Donaukies erbaut.

St. Oswald hat zwei einzigartige Kostbarkeiten

Vergleichsweise wenig ist über die vorreformatorische Spitalkirche von damals bekannt. Unzweifelhaft aber präsentieren sich in ihr zwei Kostbarkeiten, die so in der evangelischen Kirchenlandschaft Bayerns kein zweites Mal zu finden sind. Zum einen sticht in dem Sakralbau ein barocker Bilderzyklus heraus, der so ganz anders ist als man es von einer protestantischen Kirche in ihrer nüchternen, auf das Wort ausgerichteten Ausstattung erwarten würde. An der Decke und auch auf den zweigeschossigen Emporen finden sich insgesamt 39 farbenfrohe Bildtafeln, auf denen sich die lutherische Lehre auf sinnliche Weise widerspiegelt.

Zum anderen ist es die Einzigartigkeit der Orgel von Franz Jakob Späth (1714-1786). Insgesamt erbaute der Regensburger Instrumentenbauer, der auch das Klavier für Wolfgang Amadeus Mozart herstellte, nur acht Orgeln. Die in St. Oswald ist die einzige, die noch im Original erhalten ist. Dem Barockinstrument aus dem Jahr 1750 wird ein wunderbarer Klang nachgesagt.

Etwa ein Jahrhundert lang blieb St. Oswald unverändert

Nach dem Übertritt Regensburgs zum Protestantismus im Jahr 1542 benötigte man für die rasch wachsende Zahl an Gläubigen geräumige Kirchen. Die 1519 mit Begeisterung begonnene Neupfarrkirche war als notdürftig bedeckter Torso liegen geblieben. 1563 wurde in der Dominikanerkirche ein provisorisches Simultaneum eingerichtet, in dem sich Katholiken und Evangelische die Kirche teilten. 1622 erweiterte man die Bruderhauskirche; die große Dreieinigkeitskirche wurde erst später gebaut (1627-1631). Deshalb entschloss man sich 1604 zur Erweiterung der Oswaldkirche nach Westen. Deutlich ist bis heute der Übergang vom Alt- zum Neubau an einem Knick an der nördlichen Außenwand zu erkennen.

Etwa ein Jahrhundert lang blieb St. Oswald fast unverändert. In den Jahren 1708/1709 erfährt die Kirche mit ihrer Barockisierung dann eine radikale Veränderung. Mit dem Stuck wurden Wessobrunner Meister beauftragt. Die Maler der wertvollen Decken- und Emporenbilder sind nicht bekannt. Auffällig ist, dass sich ihre Bildhaftigkeit explizit auf die biblischen Erzählungen bezieht. Im Zentrum der Malerei an der Kirchendecke heißt es "Verbum domini manet in aeternum" (lat.: Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit).

Blick in den Innenraum der evangelischen Kirche St. Oswald in Regenburg: An der Decke und auch auf den zweigeschossigen Emporen findet sich ein barocker Bilderzyklus mit insgesamt 39 farbenfrohe Bildtafeln
Blick in den Innenraum der evangelischen Kirche St. Oswald in Regenburg: An der Decke und auch auf den zweigeschossigen Emporen findet sich ein barocker Bilderzyklus mit insgesamt 39 farbenfrohe Bildtafeln, auf denen sich die lutherische Lehre auf sinnliche Weise widerspiegelt

"Wie in einer aufgeschlagenen Bibel"

"Luthers Anliegen war es, das Wort unter das Volk zu bringen", erläutert Martin Schulte beim Gang durch die Kirche. Aber nur wenige Menschen konnten damals lesen und schreiben. "Deswegen hat man das Bild als Möglichkeit der Verkündigung entdeckt." Es ist davon auszugehen, dass die Prediger die biblischen Geschichten anhand der Bilder ausgelegt haben, weshalb St. Oswald auch "Katechismus-Kirche" genannt wird.

"Wie in einer aufgeschlagenen Bibel konnten die Gläubigen in meistens rechteckigen Bildern die wichtigsten Stationen auf dem Weg zum Heil ablesen - sozusagen als barockes Fernsehen", schrieb einst Helmut Ruhwandl, ehemaliger Pfarrer der Dreieinigkeitskirche.

Die Forschung fand heraus, dass der Bilderzyklus auf einem in Regensburg entstandenen Katechismus basiert. Geschrieben hat ihn der damalige Superintendent Georg Serpilius (1668-1723). Eine andere Hypothese ist, dass in St. Oswald die österreichischen Glaubensflüchtlinge beheimatet gewesen seien, "eine Art Österreicher-Kirche", sagt Schulte.

St. Oswald muss sich neu erfinden

Nach der umfangreichen Sanierung wird sich St. Oswald wieder neu erfinden müssen. Die Gesamtkirchengemeinde als Eigentümerin müsse die Kirche so bespielen, dass langfristig der Bauunterhalt der Kirche gesichert ist, sagt Schulte. Einerseits sollte sie Gottesdienstraum bleiben, andererseits könnte sie auch ein Veranstaltungsraum für Lesungen, meditative Angebote, Konzerte, hochwertige Ausstellungen oder ein Kirchencafé werden. Schulte: "Da gibt es keine Denkverbote."