Über sechs Jahrzehnte lang hatten die Evangelischen ihr eigenes Gemeindezentrum in Rotthalmünster (Dekanat Passau). Weil der Kirchengemeinde das Kapital für die Renovierung fehlt, wird es zum 31. Januar aufgegeben.

Der Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler entwidmet das Gebäude, in dem es auch einen großen Kirchenraum gibt, an diesem Sonntag (17. Januar).

Regionalbischof Stiegler: Entwidmung für viele Menschen schmerzhaft

Stiegler äußert seinen "großen Respekt" vor der Entscheidung des Kirchenvorstands Pocking, zu dem Rotthalmünster gehört. "Das Gemeindezentrum zu entwidmen, ist für viele Menschen sehr schmerzhaft.

Angesichts weniger werdender Ressourcen ist es aber richtig und vor allem zukunftsweisend", sagt er. Die Kirchengemeinde habe verantwortlich auf die aktuelle Entwicklung reagiert und damit auch "neue Möglichkeiten für die evangelische Arbeit im Rottal" eröffnet.

Neuer Eigentümer des Gebäudes samt Grundstück ist ab 1. Februar ein Immobilieninvestor; er will die einstige Wochinger Villa nicht nur sanieren und Wohnungen errichten. In einem zweiten Schritt soll das 5.000 Quadratmeter große Grundstück erschlossen und weiter bebaut werden.

1958 wird das Gemeindezentrum zur Kirche geweiht

Das Gemeindezentrum war nach 1945 Anlaufstelle für Evangelische aus den ehemaligen Ostgebieten. Nachdem sie zwölf Jahre lang Gast in der katholischen Friedhofskirche waren, erwarb der damalige Pfarrer Gerhard Vietzke 1955 die einstige Brauerei-Villa.

Nach einem Umbau wurde sie 1958 zur Kirche geweiht. Es entstand ein Gottesdienstraum aus dem ehemaligen Wohnzimmer des Bräus, in dem bis zu 120 Menschen Platz fanden. Weitere Räume standen für die Gemeindearbeit und dem Pfarrer als Wohnung zur Verfügung.

Kirchenvorstand hat sich aufgrund hoher Sanierungskosten für den Verkauf des Gebäudes entschieden

Die Sanierungskosten des Gemeindezentrums hätten sich auf eine Dreiviertelmillion Euro belaufen, sagt Pfarrerin Baumann. "Da gab es nicht mehr viel zu überlegen. Das Kapital haben wir nicht."

Nachdem das historische Gebäude weder abgerissen werde noch unter Denkmalschutz stehe, habe sich der Kirchenvorstand "schweren Herzens" für den Verkauf entschieden.

Das Gemeindezentrum war über Jahrzehnte Begegnungsort für evangelisches Leben in Rotthalmünster, zu dem Pfarrer Vietzke seit 1945 den Grundstock gelegt hatte. Unter seiner Ägide entstanden eine Bekenntnisschule, ein evangelisches Waisenhaus und auch ein Friedhof.

Über die Jahre hat sich das Gemeindeleben in die Stadt Pocking verlagert

Mit dem Zuzug von Russlanddeutschen verlagerte sich das Gemeindeleben jedoch zusehends nach Pocking, das heute 3.500 evangelische Seelen zählt. In Rotthalmünster leben noch 300 Evangelische.

Bis vor fünf Jahren sei noch ein ganzer Jahrgang Konfirmanden zustande gekommen, berichtete Pfarrerin Godila Baumann. Mit dem Weggang von Pfarrer Johannes Hesse Anfang 2019 stand eine lange Vakanz im Raum.

Seit September 2020 ist die zweite Pfarrstelle zwar wieder besetzt, die neue Pfarrerin Alexandra Popp bezog aber schon eine Wohnung in Pocking. Einmal im Monat fände noch ein Gottesdienst statt.

Überlegungen zur Einrichtung eines öffentlichen Raumes in der Villa

Es gebe Überlegungen des Investors, in der einstigen Villa einen öffentlichen Raum zu erstellen. Dies könne aber nur in Zusammenarbeit mit der Kommune realisiert werden. "Ob sich das lohnt, ist die große Frage", sagt Baumann.

Auch wenn das Gemeindezentrum verkauft ist, "das evangelische Leben in Rotthalmünster geht weiter", sagt Pfarrerin Alexandra Popp. Ab Februar fänden die evangelischen Gottesdienste im katholischen Pfarrzentrum und in der katholischen Friedhofskirche statt. Für das offene und gute Verhältnis zur katholischen Kirche sei man dankbar.

Der Erlös aus dem Verkauf beträgt laut Angaben des Kirchenvorstands 460.000 Euro. In den nächsten Jahren stehe die Renovierung der denkmalgeschützten Bartning-Kirche in Pocking an. "Dafür ist dann der Erlös aus dem Verkauf ein gutes Polster", sagt Baumann.

Die sakralen Gegenständen werden einer evangelischen Gemeinde in Litauen übergeben

Einen würdigen Ort für die nicht mehr benötigten sakralen Gegenstände habe der Kirchenvorstand bereits gefunden. Darüber freuten sich evangelische Gemeinden in Litauen. Pfarrer Mindaugas Kairys aus Litauen schrieb: "Die Orgel würden wir gerne für unsere kleine Gemeinde in Lauksargiai übernehmen. Für den kleinen Altar hätten wir einen schönen Platz und auch für die anderen sakralen Gegenstände in Smalininkai." Dort werde demnächst ein Diakonisches Zentrum errichtet.