Marion Küstenmacher ist Theologin und Trainerin für spirituelle Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist der  Überzeugung, dass das Christentum weiter ausblutet, wenn es nicht neu belebt wird. Bei der Tagung über die "Spiritualität der Zukunft" bietet sie einen Workshop zum Thema an. Redakteurin Rieke C. Harmsen hat sie zu ihren Zielen befragt:

 

Was tut man als Trainerin für spirituelle Persönlichkeitsentwicklung?

Meine Arbeit besteht aus Bücherschreiben, Vorträgen, Seminaren sowie Einzelberatung zur spirituellen Situation und Weiterentfaltung. Hier schaue ich in einem gemeinsamen Klärungsprozess mit meinem Gegenüber, was seine oder ihre aktuelle "kosmische Adresse" ist. Dabei helfen uns die Bausteine der integralen Spiritualität: psychosoziale Werteräume, Entwicklungslinien, Wahrnehmungsperspektiven, Persönlichkeitstypus und besondere Zustände (mystische Versenkungsgrade) des Bewusstseins. Ich biete auch Wertimaginationen an, das sind ganz individuelle Wanderungen durch die eigene Seelenlandschaft hin zu einem wertstiftenden inneren Ziel.

Die Spiritualität der Zukunft: Wie könnte, wie sollte sie in unserer Gesellschaft aussehen?

Unser Buch Gott 9.0 beschreibt in 9 Glaubens-Updates, dass bei uns längst schon neue Glaubensinhalte und nonduale Gottesvorstellungen entstanden sind, die unseren Verstand nicht beleidigen und unsere Seelen wieder nähren können.  Das Christentum wird aber - trotz fabelhaftem Engagement seitens Haupt- und Ehrenamtlicher - hierzulande weiter ausbluten, wenn die eigentliche Aufgabe weiterhin von der Kirchenhierarchie aufgeschoben wird.

Wir brauchen endlich einen mutigen Abschied von gewissen dogmatischen Lehrinhalten, die uns noch an ein vormodernes Gottes- und Weltbild (4.0) und dualistische Positionen binden. Schon junge Leute laufen wegen dieser Inhalte davon, an die sie nicht glauben können. Ein echter Fortschritt,  ein belebendes Glaubens-Update ist mit einem Systembruch im bisherigen Denken verbunden. Das war auch bei der Reformation so, davor sollten wir uns also nicht fürchten.

Marion Küstenmacher

Kann Spiritualität dazu beitragen, Religionskriege zu vermeiden?

Religionskriege werden von Menschen nur  bis zu  einer bestimmten Bewusstseinsstufe geführt. Quer durch alle Religionen geht es da immer um mythische Vorstellungen über die  absolute Wahrheit der eigenen Religion, Ethnie oder Nation.

Eine Spiritualität, die dem Religions- und Weltfrieden dient, fördert dagegen Aufklärung, Bildung, Toleranz, Religionsfreiheit und das Wissen über gemeinsame Schnittmengen in den Zeugnissen der MystikerInnen aller Religionen. Das ist der Strom, der alle Religionen trägt.

Können und müssen sich die christlichen Kirchen in Bezug auf andere Glaubensgemeinschaften verändern?

Wir sind schon längst im globalen Dorf und damit im interreligiösen Multilog angekommen. Er macht uns bewusst, dass wir immer  gleichzeitig etwas zu lernen und etwas zu geben haben. Wir Christen lernen von östlichen Religionen, dass wir nicht ohne eigene meditative Praxis auskommen können, wenn wir eine lebendige Religion bleiben wollen.

Das wird uns verändern. Umgekehrt wäre es unsere Aufgabe als größte Religion des Westens, dass wir den anderen Glaubensgemeinschaften als leuchtendes Beispiel dienen, wie man die Erkenntnisse der Neuzeit wie historisch-kritische Forschung, Naturwissenschaften und vor allem Psychologie in die eigene Religion einspeist. Davon würde die weltweite spirituelle Intelligenz sicher profitieren.

 

Das gesamte Programm zur Tagung Spiritualität der Zukunft - hier als PDF zum Download.

Marion Küstenmacher über Spiritualität

Link-Tipp

Spiritualität der Zukunft
Viele Menschen bezeichnen sich heute als spirituell, aber nicht religiös im Sinne einer Zugehörigkeit zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis. In den USA hat diese Bewegung längst einen Namen - spiritual but not religious, also #sbnr. Was bedeutet dieser Trend für die kirchlich-theologische Arbeit? Wie passen Yoga, Zen und Buddhismus zum Christentum?

Dossier Spiritualität

In unserem Dossier "Spiritualität" finden Sie Artikel rund um die christliche Frömmigkeitspraxis. Dazu gehören Pilgern und Meditation, spirituelle Impulse und neue Formen der Gottesbegegnung. Hier geht es zum gesamten Dossier.

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Die Heft-Inhalte:

  • Glaube aus erster Hand: Was ist eigentlich christliche Spiritualität?
  • Gottsuche bei Luther und Ignatius: Zwei Männer, zwei Wege, ein Ziel - die Verbindung mit Gott
  • Geistliche Übung von A-Z: Lexikon der wichtigsten Begriffe der Spiritualität
  • Mit allen Sinnen da sein: Das Herzensgebet ist ein Weg der Achtsamkeit
  • Auf der Sehnsuchts-Spur: Mit ökumenischen Exerzitien durch den Alltag
  • Der Gnade ein Fenster öffnen: Die Alexander-Technik lehrt, Hinderliches zu verlernen
  • Tauchen zum Seelengrund: Yoga kann auch Christen auf dem spirituellen Weg helfen
  • Perlen des Glaubens: Ein "Katechismus zum Anfassen" für jeden Tag