Warum ist Stille wichtig?

Eckert: Damit ich zu mir kommen kann. Wir Benediktiner würden sagen: Damit ich wieder bei mir wohnen kann. Unsere Sprache ist verräterisch, wir benutzen Redewendungen wie: »Ich bin außer mir« oder »Ich muss erst zu mir finden«. In der Stille kann ich offen werden für mich, aber auch für andere. Damit ich wieder hören kann. Damit andere mit ihren Anliegen zu mir kommen können. Karl Valentin bringt das auf seine Weise auf den Punkt: »Heute besuch ich mich, hoffentlich bin ich daheim.«

Wie findet man zur Ruhe?

Eckert: Indem man es übt. Wenn ich Klavier spiele oder für einen Wettkampf trainiere, habe ich dafür Zeiten und Orte. So ist es beim Schweigen und der Stille auch. Ich brauche einen äußeren Rahmen, um mich einzufinden. Das muss keine Kirche sein. Eine Bekannte von mir hat ihre Zeit der Stille abends, wenn die Kinder schlafen, der Mann auf dem Sofa eingenickt ist und sie ihr Bügelbrett aufstellt. Sie sagt, das hat für sie etwas Meditatives, da kommt sie zur Ruhe und kann ihre Gedanken ziehen lassen. Andere finden das bei einem Spaziergang an der Isar oder beim wöchentlichen Gang in die Sauna.

Stille hat nicht unbedingt etwas mit Beten zu tun?

Eckert: Nein. Stille ist erst einmal das Verstummen. Beten ist das Gespräch mit Gott. Ich glaube, still zu werden ist die Voraussetzung für das Gebet.

War der Advent ursprünglich wirklich eine stade Zeit?

Eckert: Der Advent ist eigentlich eine Zeit der Umkehr. Er war früher eine klassische Fastenzeit: vom Martinstag bis Weihnachten. Weil die Natur im Winter zur Ruhe kommt und die Tage kürzer werden, war das früher tatsächlich eine ruhigere Zeit. Aber das soll man nicht romantisch verklären: Die dunkle Jahreszeit war auch eine Zeit voller Ängste, das sieht man heute noch am Brauch der Perchtenläufe. Heutzutage hat sich die stade Zeit verschoben: vom Advent auf die Tage zwischen Weihnachten und Heilig Drei König. Da fährt die ganze Stadt herunter, niemand will was von einem, man bekommt keine E-Mails mehr und die Post reduziert sich schlagartig. Viele ergreifen die Chance, diese Tage für sich zu nutzen, sich mit Freunden oder der Familie zu treffen, ein Buch zu lesen. Diese neue stade Zeit ist für viele kostbar.

Wie baut man Stille im Alltag ein?

Eckert: Man muss sich Zeiten und Orte dafür reservieren. Und dann muss man sich an die selbst gewählte Ordnung auch halten. Man kann sich auf dem Weg von der U-Bahn zum Büro für zehn Minuten in eine Kirche setzen und zur Ruhe kommen. Man kann am Wochenende eine Stunde für einen Waldspaziergang reservieren. Man kann auch einmal überlegen, wann man aufs Smartphone schauen will, und wann nicht: Gleich nach dem Aufwachen? Oder erst nach dem Frühstück?

Warum fällt das vielen so schwer?

Eckert: Das war schon immer schwer. Auch die Wüstenväter kämpften schon mit Versuchungen, die sie ablenken wollten. Das ist nicht neu. Es ist einfach menschlich. Man sollte sich davon nicht frustrieren lassen.

Als Benediktiner haben Sie mehrere Gebetszeiten am Tag. Finden Sie es immer einfach, still zu werden?

Eckert: Das ist unterschiedlich. An manchen Tagen gehe ich innerlich bewegter ins Mittagsgebet. Dann denke ich mir: Das hat jetzt seinen Raum vor Gott. An anderen Tagen bin ich ruhiger und spüre auch etwas Tieferes in mir. Vieles davon ist ein Geschenk, theologisch gesprochen: Gnade. Aber wir können es nicht empfangen, wenn wir nicht den Rahmen dafür herstellen.

Was finden Sie in der Stille?

Eckert: Die Stille muss keinen Zweck erfüllen. Man muss nichts in ihr finden. Man kann in ihr spüren: Ich bin kein Getriebener. Ich bin da. Das reicht schon.