Bei der Gedenkveranstaltung "365 Tage 7. Oktober" haben am Sonntagnachmittag laut Polizeiangaben mehrere Tausend Menschen auf dem Münchner Odeonsplatz für die Freilassung der israelischen Hamas-Geiseln demonstriert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zeigte sich bewegt, "so viele Menschen heute hier versammelt zu sehen". In seinem Grußwort forderte er laut Redemanuskript mehr "sichtbare und nachhaltige" Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft. "Wir brauchen das Gefühl, hier erwünscht und gewollt zu sein."

Gedenkveranstaltung "365 Tage 7. Oktober"

Noch immer kämpften 101 Geiseln in den Tunneln der Hamas ums Überleben. Für sie "sowie ihre Angehörigen und die Menschen in Gaza" liefen die Uhren seit dem 7. Oktober 2023 "in einem schrecklichen Takt" weiter, sagte Schuster.

Der Einsatz für die Befreiung der Geiseln sei kein politisches, sondern ein menschliches Anliegen. Zugleich seien Juden und Palästinenser nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in deutschen Städten Nachbarn. "Hier wie dort gilt: Zu einem Zusammenleben gibt es keine Alternative", sagte Schuster.

Rede von Ministerpräsident Söder

"Wir stehen an der Seite von Israel", sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und forderte die Hamas auf, die verbliebenen Geiseln freizulassen. Frieden könne für Israel nicht darin bestehen, sein Existenzrecht aufzugeben und sich nicht mehr zu wehren.

Die internationale Diplomatie müsse dem Iran klarmachen, dass Terrorismus nie die Basis für Frieden sein könne, betonte Söder. Wer in Deutschland Terrororganisationen unterstütze, dem solle bei doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Söder gab ein persönliches Schutzversprechen für alle Jüdinnen und Juden in Bayern ab und sagte, Angriffe auf sie seien "Angriffe auf unsere gesamte Freiheit". Jedes Ausweichen und Relativieren sei in diesem Zusammenhang ein Rückschritt und eine Schwäche. "Wir stehen hier heute zusammen gegen Antisemitismus und für unsere gemeinsame Freiheit", sagte Söder.

Schirmherrschaft der Kundgebung

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München-Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatte gemeinsam mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Schirmherrschaft der Kundgebung übernommen. Reden hielten außerdem die Münchner Schauspielerin Uschi Glas sowie die dritte Münchner Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) und Vertreter des Stadtrates.

Veranstalter war der Münchner Zweig der weltweiten Initiative "Run for their Lives". Getragen wurde die Gedenkfeier von einem breiten Bündnis aus Gesellschaft, Politik, Kultur, Sport und Religion - unter ihnen der FC Bayern München, die Diakonie München und Oberbayern, die Stadtwerke, das Erzbistum München und die KZ-Gedenkstätte Dachau.

Zeitgleich zu der Gedenkveranstaltung hatten pro-palästinensische Gruppen zu einer Gegendemonstration auf der Ludwigstraße aufgerufen, die auch am Odeonsplatz vorbeiführte. Laut Polizeiangaben nahmen etwa 1200 Menschen daran teil. Zu größeren Zwischenfällen oder Zusammenstößen zwischen den beiden Veranstaltungen kam es den Angaben zufolge nicht.

Evangelische Landeskirche

Bereits im Vorfeld hatte die bayerische evangelische Landeskirche zum "entschiedenen Widerstand" gegen Judenhass aufgerufen. Der 7. Oktober 2023 markiere einen tiefen Einschnitt für Jüdinnen und Juden weltweit, hieß es in einem bereits am Freitag veröffentlichten "Wort der Landeskirche". Auch in Deutschland erlebten Menschen jüdischen Glaubens derzeit eine neue Welle von Bedrohungen und Gewalt. Zugleich drückte die Landeskirche ihr Mitgefühl für die Opfer des Gazakrieges aus.

Für die Diakonie München und Oberbayern bekräftigte Vorstandssprecherin Andrea Betz, dass jede Form von Antisemitismus - ob Schmierereien, Hate Speech oder Attacken auf Einzelne - ein Angriff auf die demokratische Gesellschaft sei. "Wir dürfen nie wegsehen, wenn Antisemitismus aufkeimt, wenn sich Jüdinnen und Juden nicht mehr sicher fühlen", so Betz.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden