Elon Musk hin oder her: Nachdem der Tesla-Gründer und Milliardär Twitter gekauft hatte, blieb ein Exodus der Nutzer in Deutschland in der Politik und bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern aus. Anders als Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wollen die Länderchefs, sofern sie Twitter-Kanäle betreiben, erst einmal abwarten. Und auch die öffentlich-rechtlichen Sender bleiben vorerst an Bord. Die Entwicklung aber beobachten sie genau.

Das tut auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es würde zu weit gehen zu sagen, Scholz überlege bereits, sich bei Twitter abzumelden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag in Berlin. Nach dem Eigentümerwechsel bei Twitter sei es aber so, "dass wir sehr genau und auch mit einer gewissen Besorgnis beobachten, was dort passiert und daraus unsere Schlüsse ziehen werden". Grundsätzlich halten die Bundesregierung und der Kanzler soziale Medien für ein wichtiges Kommunikationsmittel, betonte Hoffmann. Man schaue sich aber an, was es für Alternativen gebe und wie sich insbesondere Mastodon entwickle.

Von Twitter zu Mastodon

Mastodon gilt als deutsches Twitter. Statt "tweeds" senden die User "toots", also "tröts". Und um Zensur, Hassrede oder undurchsichtige Algorithmen zu unterbinden, setzt der Mikrobloggingdienst, der 2016 von Eugen Rochko aus Jena gegründet wurde, auf Open Source und dezentrale Server als Knotenpunkte.

Angesichts der Follower-Zahlen allerdings dürfte ein Wechsel schwer fallen: Scholz lässt neben dem @Bundeskanzler mit fast 660.000 Followern noch den Account @olafscholz mit 613.000 Followern von einem Team betreiben. Das ist weniger als die @sportschau mit über 700.000 Followern. @maischberger folgen rund 76.000 und @hartaberfair 72.000.

Alle drei Twitter-Accounts betreibt der Westdeutsche Rundfunk (WDR) für die ARD. Hinzu kommen 29 weitere Kanäle. Beim WDR schaue man sich die Entwicklung genau an, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf die Nutzung der großen sozialen Netzwerke zu verzichten, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Option. "Wir erreichen dort einen großen Nutzerkreis, viele gesellschaftliche und politische Entwicklungen finden dort statt." Das gehöre zum Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen: Dorthin zu gehen, wo sich relevante Zielgruppen aufhielten, die die Sender sonst nicht erreichen.

Fake News und Hatespeech

"Nachteile der großen Netzwerke wie Fake News und Hatespeech sind uns natürlich bewusst, aber genau dazu wollen wir mit einwandfreier Recherche, gesicherten Informationen und konstruktiver Kommentarmoderation ein Gegengewicht bieten", sagte der Sprecher.

Und so sind die öffentlich-rechtlichen Sender auf Twitter gut vertreten. Der Bayerische Rundfunk (BR) und seine Redaktionen beispielsweise unterhalten nach eigenen Angaben elf offizielle Kanäle, der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und der Südwestrundfunk (SWR) jeweils 14, der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) neun und der Hessische Rundfunk (HR) fünf. Beim ZDF sind es nach eigenen Angaben 17, hinzu kommen Kanäle der Studios im In- und Ausland, auch zu Recherchezwecken.

Beim RBB macht man sich ebenfalls Gedanken: "Gerade die Entwicklungen zu Hatespeech auf der Plattform wie auch die Unzuverlässigkeit der Plattformbetreiber selbst sind für uns Grund, unsere Präsenzen dort zu hinterfragen", sagte RBB-Sprecher Justus Demmer. Dies geschehe im Austausch mit der ARD. Und die hatte jüngst angekündigt, im Zuge einer engeren Zusammenarbeit die Zahl der Social-Media-Accounts der Anstalten und Redaktionen überprüfen und reduzieren zu wollen.