Fast jeder zweite Deutsche hat seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen, im Durchschnitt 5,6 Kilo. Das geht aus einer neuen Studie des Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ) der Technischen Universität München (TUM) hervor.

Studienmacher Professor Hans Hauner, Direktor des EKFZ und Professor für Ernährungsmedizin an der TUM, verriet im Sonntagsblatt-Gespräch seine Tipps für eine ausgewogene "Corona-Ernährung" und seine Tricks gegen überschüssige "Corona-Pfunde".

Herr Hauner, wie viel haben die Menschen während der Corona-Pandemie zugenommen?

Hans Hauner: Rund 40 Prozent der Befragten haben seit Beginn der Pandemie zugenommen, im Durchschnitt waren es 5,6 Kilogramm. Vor allem die 30- bis 44-Jährigen haben zugelegt sowie die Personen, die bereits zuvor ein Gewichtsproblem hatten. Bei den Befragten mit Adipositas, also mit einem Body-Maß-Index (BMI) von über 30, fand sich eine Gewichtszunahme von durchschnittlich 7,2 Kilogramm.

Das klingt nach einem unguten Zusammenspiel von Corona und krankhaftem Übergewicht ...

Hauner: Ja! Eine bemerkenswerte Erkenntnis des letzten Jahres war, dass Adipositas ein zentraler Risikofaktor für eine Infektion mit Corona-Viren war und zu besonders schweren Verläufen geführt hat. Somit liegt ein Teufelskreis aus dem Zusammenspiel von Corona- und Adipositas-Pandemie vor. Wir dürfen nicht vergessen, dass - unabhängig von Covid-19 - Adipositas in Deutschland jährlich alleine rund 80.000 bis 100.000 Menschenleben fordert.

Woran liegt es, dass die Deutschen während der Pandemie so zugelegt haben?

Hauner: Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen haben unsere Lebensweise und unsere Tagesabläufe schon sehr verändert. Fast die Hälfte aller Berufstätigen gab an, im Homeoffice zu arbeiten oder in Kurzarbeit zu sein. 70 Prozent berichteten, dass sie sich seelisch belastet fühlten. Eine Konsequenz daraus war, dass etwa ein Drittel der Befragten angab, mehr zu essen, oft auch spontan und dann häufig "ungünstige" Lebensmittel oder Mahlzeiten. Mehr als die Hälfte gab an, sich weniger zu bewegen, vor allem bei seelischer Belastung und bei hohem BMI. Wir wissen schon lange, dass Menschen unter Stress weniger auf ihr Essen achten.

Gleichzeitig gab es nicht wenige, denen der Appetit und die Freude am Essen vergangen ist und die Gewicht abnahmen. Die Reaktionen sind in solchen Belastungssituationen wohl aus vielerlei Gründen recht unterschiedlich.

Wird sich diese Entwicklung wieder ändern oder fürchten Sie bleibende Gewohnheiten?

Hauner: Das ist nicht leicht vorherzusagen. Da aber das geänderte Verhalten vor allem durch die spezielle Corona-Situation bedingt war, ist doch zu hoffen, dass sich Vieles nach Rückkehr in das vorherige "normale Leben" wieder einpendelt. Es wird aber für viele nicht leicht sein, zugelegtes Gewicht wieder loszuwerden.

Tatsächlich hatte schon mehr als die Hälfte der Befragten aus eigenem Antrieb durch mehr Bewegung, anders Essen und weitere Maßnahmen versucht, ihr Gewicht wieder zu senken oder zumindest im Zaum zu halten - wenngleich nur mit begrenztem Erfolg.

Es wird wichtig sein, die Menschen mit Abflauen der Corona-Pandemie zu motivieren, wieder auf Ernährung und Bewegung zu achten und auch sonst wieder seelischen Ausgleich zu finden. Da dies alles andere als leicht ist, sollte es dafür auch verstärkt Hilfsangebote geben.

Welche "Corona"-Ernährung empfehlen Sie?

Hauner: In Zeiten von Corona ist eine ausgewogene, gesunde Ernährung besonders wichtig. Dazu gehören reichlich Gemüse, Obst, Vollkornprodukte sowie fettreduzierte Milchprodukte und wenig Fleisch, Süßwaren und Fastfood. Mittelmeerkost oder auch vegetarische Kost können hier besonders empfohlen werden. Vielleicht finden die Menschen auch wieder mehr Spaß daran, selbst zu kochen und ihr Essen zu genießen.

Und wie lauten Ihre "Anti-Corona-Pfunde"-Tricks?

Hauner: Wichtig ist, das eigene Körpergewicht nicht aus dem Auge zu verlieren und eine Zunahme zu vermeiden. Wer schon kräftig zugelegt hat und die überflüssigen Pfunde wieder loswerden möchte, kann es mit einer Diät versuchen, am besten nach Rücksprache mit dem Hausarzt. Genauso hilfreich kann mehr Bewegung sein, gerade wenn jetzt wieder mehr erlaubt ist. Also Radfahren, flott spazieren gehen oder in den Bergen wandern, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Auch die Fitness-Studios und Sportvereine werden bald wieder öffnen, sodass jeder etwas nach seinem Geschmack finden sollte. Ein gutes Ziel wäre es, an mindestens fünf Tagen pro Woche 30 bis 60 Minuten richtig Bewegung zu haben.