Rose Stach hat zwei Plüschmöbel und einen Cafétisch in die edle Galerie für Angewandte Kunst in München gestellt. Wer aber denkt, er könne sich gemütlich hinsetzen, irrt: Die Kunstinstallation mit dem Titel "Klub Ararat" spielt auf die Geschichte eines ganzen Volkes an. Denn die Möbel wurden von der Künstlerin mit kleinen Fotografien und diversen Gegenständen vom Flohmarkt in Jerewan beklebt, die an die dramatischen Ereignisse der Vertreibung und Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich erinnern lassen – und einen Bogen schaffen zu den Geflüchteten, die sich in Deutschland in einer fremden Welt zurechtfinden müssen.

 

Rose Stach, Erol Gurian, Anna Maria Eichlinger und Florian Buddeberg

Die Idee zu diesem Kunstwerk kam der Künstlerin Rose Stach während einer Reise nach Armenien, die sie zusammen mit dem Fotografen Erol Gurian, der Goldschmiedin Anna Maria Eichlinger und dem Schmuckkünstler Florian Buddeberg machte. Gemeinsam suchten sie nach dem Armenien, das sie persönlich bewegte, nach Farben, Formen, Gegenständen und Situationen, die später in ihren Arbeiten aufgehen sollten. Die Ergebnisse dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Land sind bis 24. Februar 2018 in der Galerie des Münchner Kunstgewerbevereins in der Pacellistraße 6-10 zu sehen.

 

Erol Gurian: Panoramafoto vom Heiligen Berg Ararat

Der Fotograf Erol Gurian zeigt großformatige Sehnsuchtsbilder. Gleich am Eingang der Galerie hängt ein Panorama: Aus der Vogelperspektive blickt der Betrachter in ein weites Tal, über dem ein heller Wolkenschleier liegt, im Hintergrund ruht der mächtige Berg Ararat, entrückt und fern.

Es gibt wohl keinen Armenier, der nicht ein Bild vom heiligen Berg Noahs in seiner Wohnung hängen hat, und so wirkt das Foto, das im Eingangsbereich hängt, auch wie ein Statement. Der Lyriker Hovhannes Grigoryan beschreibt dieses Gefühl mit einem Gedicht, das im Katalog abgedruckt ist und mit den Worten beginnt "Armenien – das ist mein Land, von solchem Ausmaß, dass ich es mitnehmen kann, wenn ich verreise in ein fernes Land."

Viel haben die Künstler mitgenommen. Erol Gurian, der Sohn eines armenischen Vaters und einer ungarischen Mutter, kam 1964 in München zur Welt. Die Reise nach Armenien war für den Fotografen somit auch die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Frage, was "in mir armenisch ist", wie Gurian erklärt.

 

Anna Maria Eichlinger: Schmuck mit Naturprodukten

Die Fotografien der Ausstellung zeigen deshalb nicht nur Landschaften, sondern auch einfühlsame Porträtfotos von Menschen in der Stadt oder bei der Feldarbeit. Häufig korrespondieren die Fotografien mit den Werken der anderen Künstler. Unter dem Bild eines Mannes, der mühselig runde Mispeln von einem Baum pflückt, präsentiert Anna Maria Eichlinger in einer Vitrine eine eine Kette. Die Goldschmiedin hat Mispeln wie Perlen an einer roten Schnur aufzogen und mit einem silbernen Verschluss versehen, der mit seiner Achterform an den unendlichen Zyklus der Natur erinnert.

Der Blick auf die Grenzzäune und Wachposten am Berg Ararat inspirierte die Künstlerin zu bizarren Ohrringen: Mit Draht umwickelte sie armenisches Lavagestein, Quarz und Granatapfelkerne. Am Ohr baumeln nun kleine Schatzkästchen der Erinnerung an ein fernes Land.

 

Armenische Apostolische Kirche als Inspirationsquelle

In der Ausstellung sind die Anleihen an die christliche Kultur offensichtlich und naheliegend. Denn die armenische Kirche gehört zu den ältesten Staatskirchen der Welt. Der Überlieferung zufolge zogen die Apostel Judas und Bartholomäus im ersten Jahrhundert durch das Land, um zu predigen und christliche Gemeinden zu gründen. Die orientalisch-orthodoxe Tradition prägt das Land bis heute: Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung gehören der Armenischen Apostolischen Kirche an.

 

Florian Buddeberg macht Broschen und Anhänger

Die christliche Ornamentik inspirierte den Schmuckkünstler Florian Buddeberg zu einer Reihe von Broschen und Anhängern. Aus einem emaillierten Anhänger starren zwei Augen auf den Betrachter – sie symbolisieren den Blick Noahas auf die armenische Landschaft. In anderen Vitrinen hat Buddeberg glänzende Objekte aus Bronze geschaffen, die die Formenwelt der armenischen Kirchen und Klöster aufnehmen. Erst beim zweiten Blick wird deutlich, dass auch mal eine Fahrradklingel genommen wurde als Model für die Kuppel.

Diese Art der Irritation gehört zum Konzept der Ausstellung. Besonders deutlich wird dies bei einem zentralen Stück, einem schwarzen Wandbehang, auf dem die Zahl 1915 prangt. Wer genauer hinschaut, erkennt, dass die Zahlen die Form einer Waffe haben: Die Eins ist eine Flinte, die Neun ein Galgenstrick, die Fünf besteht aus Axt und Säbel. Die sorgfältig gewobenen Kelims werden zum "War Carpet" - und zum Mahnmal für den Frieden.

Erol Gurian
Florian Buddeberg, Erol Gurian, Rose Stach, Anna Maria Eichlinger – Krokodile am Ararat
1915 Rose Stach
Rose Stach – Krokodile am Ararat
Erol Gurian
Anne Eichlinger
Anna Maria Eichlinger – Kreuzobjekt, Eisendraht und armenische Granatäpfel.2016 – Krokodile am Ararat

Ausstellungstipp

Krokodile am Ararat - Eine Reise nach Armenien

Filmabend: Donnerstag, 8. Februar 2018, 18 bis 20 Uhr »The Colour Of Pomegranates« von Sergei Paradjanov

Ausstellungsdauer "Krokodile am Ararat": 19.01. - 24.02.2018

Die Galerie für Angewandte Kunst wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, den Stellenwert der Angewandten Kunst im künstlerischen Schaffen unserer Zeit bewusst zu machen. Die Galerie dient mit ihren jährlich acht Ausstellungen als Forum, um sich mit den verschiedenen Positionen und Richtungen des zeitgenössischen Kunsthandwerks auseinanderzusetzen. Ein Höhepunkt im Jahr ist die Jahresausstellung der Mitglieder, hier werden in einer umfassenden Schau die neuesten Arbeiten der Vereinsmitglieder vorgestellt.

Öffnungszeiten: Mo - Sa von 10 bis 18 Uhr