Weil er vom späteren Regensburger Bischof Sailer erzogen worden war, die Mönche nach der Säkularisation zurück nach Bayern holte und auch von den Protestanten in seiner Königlich Bayerischen Gendarmerie forderte, bei der Fronleichnamsprozession vor der Monstranz niederzuknien, galt Monarch Ludwig I. seinen Untertanen als strammer Katholik.
Dabei hatte er eine evangelische Mutter und auch eine evangelische Gattin, Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. Aber als sie 1854 an der Cholera starb, durfte ihr Herz nicht in der Altöttinger Gnadenkapelle beigesetzt werden, wie es in der bayerischen Monarchie sonst üblich war. Und erst 2002 wurde Königin Therese endlich neben ihrem Gemahl in der Münchner Abteikirche St. Bonifaz bestattet.
Luther-Büste zog verspätet ein
Ludwigs Verhältnis zur protestantischen Minderheit ist also ein sehr delikates gewesen. Das erklärt ein wenig die Peinlichkeiten, als er vor mittlerweile 175 Jahren eines seiner Lieblingsprojekte verwirklichte und im Donautal bei Regensburg 1842 eine Ruhmeshalle zum Gedenken an die größten Deutschen einweihte. Sein "Spindoktor", der geniale Historiker Johannes von Müller, hatte auf die Vorschlagsliste auch die drei Reformatoren Luther, Melanchthon und Zwingli gesetzt. Ludwig – damals noch Kronprinz – strich die beiden letzteren sofort, von Luther bestellte er nach langem Zögern 1831, als er längst König geworden war, eine Büste. Doch als die Walhalla elf Jahre später mit großem Brimborium eröffnet wurde, fehlte das Luther-Porträt.
Was natürlich bemerkt wurde und unter Intellektuellen in ganz Deutschland für Aufregung sorgte. Der Germanist und Dichter Hoffmann von Fallersleben empörte sich, Ludwigs eigenwilligen Schreibstil kopierend: "Katholisch gekoschert, so kommt man allein in unsere deutsche Walhalla hinein."
Während Heinrich Heine, geborener Jude und getaufter Protestant, gelassen reimte: "Was Luther, der braucht nicht hinein! Der lebt in den Herzen, wozu noch in Stein?" Merkwürdig, dass der König einem anderen einflussreichen Protestanten die Ruhmeshalle sofort öffnete: Der Parade-Pietist Nikolaus Graf von Zinzendorf, Gründer der "Herrnhuter Brüdergemeine" und dynamischer Missionar in Westindien und Nordamerika, bekam ohne Probleme seine Büste. Und 1847 zog Luther doch noch in der Walhalla ein, ohne Aufsehen und ohne Festakt.
Bühne für Propaganda
Exakt neunzig Jahre später diente der Ruhmestempel als Bühne für eine noch viel blamablere Polit-Posse: 1937 empfingen 800 Chorsänger den die Walhalla erklimmenden Adolf Hitler. Enthüllt wurde die Büste von Anton Bruckner. Dass Bruckner aus Österreich stammte, wurde nicht als Schönheitsfehler empfunden. Im Gegenteil, das protzige Event diente dazu, den bevorstehenden "Anschluss" des Nachbarlands vorzubereiten und dessen "unauslöschliche geistige und seelische Schicksalsgemeinschaft" (Propagandaminister Goebbels) mit dem Deutschen Reich in Szene zu setzen.
Nein, langweilig ist die Geschichte der von Heine naserümpfend als "marmorne Schädelstätte" abgetanen Walhalla nie gewesen. Ludwig, kein bayerntümelnder Separatist, sondern Herold eines "gemeinsamen großen Vaterlandes", verstand den Griechentempel keineswegs nur als Hommage an die von ihm geliebte antike Kultur. In einer Zeit, als es noch keine deutsche Nation gab, sondern nur die Sehnsucht danach, wollte Ludwig mit solchen Denkmälern das Bewusstsein einer gemeinsamen Geschichte und Kultur fördern. "Geweiht sei diese ehrwürdige Stätte allen Ständen teutscher Sprache", verkündete er ebenso pathetisch wie prägnant; die Sprache nämlich sei "das große Band, das verbindet".
Thomas Mann oder Bert Brecht sucht man vergeblich
Fast wortgleich nannte Bayerns Finanzminister Markus Söder jetzt 150 Jahre danach die Walhalla "ein Symbol für die nationale Einheit Deutschlands, für gemeinsame Identität, Sprache und Kultur". Thomas Mann, Bert Brecht, Heinrich Böll sucht man unter den 195 Marmorbüsten und Gedenktafeln freilich vergebens, kein einziger Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ist in diesem Heiligtum deutscher Sprache und Geistesgeschichte vertreten.
Immerhin sollte die kleine Frauenriege in der Walhalla in den nächsten Jahren um drei Marmorköpfe wachsen: Edith Stein, Karolina Gerhardinger – und Sophie Scholl, die unter all den Germanenhäuptlingen, Feldherren und greisen Gelehrten wie ein widerborstiger Teenager anmutet.
Die Kritik an der Personenauswahl wird immer stärker: Gefordert wird deshalb, entweder die Versammlung der steinernen Promis massiv zu aktualisieren oder statt des oberflächlichen Heldenkults aufgeklärte Museumspädagogik zu betreiben.
Leichter gesagt als getan. In den Wandgalerien der Walhalla ist nur noch Platz für vier neue Büsten.