Nachbarn skeptisch in Föhrenweg
Hundert Meter Luftlinie entfernt sorgt der Nürnberger Reichswald für frische Luft. Im Föhrenweg im Altdorfer Ortsteil Röthenbach ist es sehr ruhig. An der Straße an einem leichten Hang stehen gerade einmal neun Anwesen. Das mit der Hausnummer 6 ist um das Jahr 1980 als stattliches Zweifamilienhaus gebaut worden. Darin beabsichtigt das Landratsamt Nürnberger Land eine Flüchtlingsunterkunft unterzubringen.
Es gebe darin auf vier Stockwerken 330 Quadratmeter Wohnfläche. Küchen, Bäder, Terrasse, Flure und der Heizungskeller würden zusammen noch einmal 100 Quadratmeter ausmachen, rechnet das Amt aus. Nach einem Umbau gebe es darin etwa 40 Plätze für Flüchtlinge. Man werde aber eine geplante Asylbewerberunterkunft wohl nur mit 32 Menschen belegen.
Wenn eine Flüchtlingsunterkunft in ein ruhiges, beschauliches Wohngebiet kommen soll, sind die Nachbarn meistens skeptisch. So ist es auch im Föhrenweg. An einem Sommerabend sind vor das Haus sechs Männer und Frauen gekommen, alle gehören sie zur "Anwohnerinitiative Flüchtlingsunterkunft Altdorf/Röthenbach", um ihre Idee einer Flüchtlingsunterkunft in Eigenregie zu erklären. Sie seien nicht prinzipiell gegen eine Unterkunft, sie wollen Flüchtlinge unterstützen. Das Landratsamt binde die Anwohner aber nicht in seine Planungen ein, das sei "direktiv-übergriffig". So haben sie es dem Amt auch geschrieben.
Mit 40 Menschen, wie es das Landratsamt zunächst angegeben hatte, wäre das Haus Nummer 6 überbelegt, findet etwa die Röthenbacherin Christine Lindsiepe. Ihr Mitstreiter Ulli Schneeweiß sagt,
"wenn man so viele Menschen auf engstem Raum zusammenpfercht, da sind Probleme nicht ganz unwahrscheinlich".
Befürchtung vor Lärm und Fehlverhalten
Der unmittelbare Nachbar Kurt Schindler befürchtet Feuerwehreinsätze, weil die Bewohner das Rauchverbot nicht einhalten werden, und Lärm, weil der natürlich sei, wenn auf einmal über 30 Nachbarn dort seien, wo früher zwei lebten.
Die Initiative meint: 20 Leute in dem Haus unterzubringen, wäre angemessen. Rechnet sich nicht, antwortet das Landratsamt. Muss sich auch nicht rechnen, sagt die Bürgerinitiative. Denn wer habe denn festgeschrieben, dass immer ein Betreiber mit Gewinninteresse eine solche Unterkunft übernehmen müsse? "Warum muss das eigentlich immer über Betreiber laufen, die kommerziell orientiert sind?", fragt Schneeweiß.
Die Firma, die den Föhrenweg 6 gekauft hat und nach jetzigem Stand den Auftrag zum Betrieb bekommt, würde nach seinen Berechnungen so viel Geld verdienen, dass nach zweieinhalb Jahren der Kaufpreis der Immobilie amortisiert sei. Da würden Steuergelder privatisiert, stellt der Anwohner fest. "Und nach dem Ende der Laufzeit kann man die Hütte auch noch mal verkaufen." Wie viel Geld der Betreiber pro Bewohner pro Tag erhält, geben die Behörden nicht bekannt.
Alternative "Bürgermodell"
Eine Alternative zum Betreiber ist für die Anwohnerschaft ein "Bürgermodell", das keinen Gewinn erwirtschaften wolle. Bürgerinnen und Bürger vor Ort sollen die Verantwortung für den Betrieb der Unterkunft übernehmen. Das Modell sei noch nicht fertig, es werde sich erst entwickeln, erklärt der Sozialwissenschaftler und Rummelsberger Diakon Peter Dienst, der ebenfalls Anwohner ist. Es werde die professionelle Hilfe von vielen Seiten, etwa den Wohlfahrtsverbänden, benötigt. Hausmeisterdienst und Sicherheitsdienst müssten beauftragt werden.
"Keine Frage ist das schwierig, aber wir packen auch selber mit an",
so der Diakon. Die Initiative hat nun im Internet eine Petition "Bürgermodell bei Geflüchtetenunterkünften statt Gewinnmaximierung" gestartet, die bisher 200 Personen unterstützen.
"Prinzipiell gerne", sagt das Landratsamt zu dem Vorschlag und sichert zu, man werde "eine geeignete Immobilie im Bürgermodell als Unterkunft annehmen", heißt es auf epd-Anfrage. Eine Sprecherin gibt aber zu bedenken, dass das Betreiben einer Unterkunft "wirklich eine anspruchsvolle und intensive Aufgabe" sei. Sie bedeute viel Zeit, Arbeit und Aufwand. Das Landratsamt müsse sich, egal, wer eine Unterkunft betreibe, "völlig darauf verlassen können, dass die Anforderungen erfüllt werden können, denn es gibt ja Menschen in dessen Obhut".
"Wir haben immer auch Verständnis für die Not des Landratsamtes", sagt Ulli Schneeweiß, der als verdi-Gewerkschaftssekretär viel Erfahrung mit Behörden hat. Aber nun fühle man sich "abgefertigt". Die Mitglieder der Initiative sehen sich vom Landratsamt als Störenfriede behandelt. "Die Idee stört die eingeübten und liebgewonnenen Verwaltungsabläufe", stellt Schneeweiß fest, "aber man muss sich einfach auch mal auf Wünsche der Bürger einlassen".
Öffentliche Veranstaltung mit Experte oder Expertin
Es gebe seit Ende März intensiven Austausch sowohl mit der Bürgerinitiative als Kollektiv als auch mit einzelnen Mitgliedern, wehrt sich das Landratsamt. Es habe Dutzende Mails, mehrere Briefe und Gespräche gegeben. Die Abteilung Soziales, das Bauamt, das Büro des Landrats und Landrat Armin Kroder (FW) selbst, hätten Fragen beantwortet.
Nun planen die Röthenbacher nach den Schulferien eine öffentliche Veranstaltung, bei der sie einen Experten oder eine Expertin für Bürgerbeteiligungsmodelle sprechen lassen wollen. Kontakt aufnehmen wollen die Anwohner auch mit dem Grandhotel Cosmopolitan in Augsburg, einer sogenannten "sozialen Skulptur", in der auch Flüchtlinge leben.
Gelegentlich sind Handwerker im Föhrenweg 6 gesehen und gehört worden. Wenn der Betreiber die Unterkunft irgendwann einmal startklar hat, "dann sprengt das unsere Gruppe", befürchtet Schneeweiß. Aber er schiebt nach, "die Menschen, die dann dort wohnen, brauchen trotzdem Hilfe".
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