Die Schau »Neuendettelsau und der Nationalsozialismus 1925-1945« zeigt rund 80 Bilder, außerdem Schriftdokumente, die Uniform des Ortsgruppenleiters, NS-Abzeichen, Munitionskisten und Blechsoldaten. Damit wollen die Ausstellungsmacher um den Teamleiter Hans Rößler erklären, warum das protestantische Mittelfranken von den Ideologien des Nationalsozialismus bereits 1932, also noch vor der Machtergreifung Adolf Hitlers, erfasst wurde. Gegliedert ist sie in die fünf Abteilungen Militarismus, Antisemitismus, Nationalismus, Führerprinzip und »Das nationalsozialistische Festjahr«.

Besondere Begeisterung galt in Neuendettelsau dem »Führer« Hitler selbst – und das bis zum Ende des Kriegs. Die Schandtaten des NS-Regimes seien der Partei zugeschrieben worden, ganz nach dem Motto »Wenn das der Führer wüsste!«, erklärt Rößler. Schon im Juli 1932 zog die NSDAP mit 66,4 Prozent der Stimmen in Neuendettelsau in den Reichstag. Nicht ungewöhnlich in Franken, zeigt eine Karte mit Wahlstatistiken zwischen 1919 und 1933.

Leihgeber möchten anonym bleiben

Eine »absolute Rarität« sei eine Original-Tafel mit der Aufschrift »Juden sind hier nicht erwünscht «, die ein anonymer Spender wenige Tage vor der Ausstellungsöffnung brachte. Ebenso möchten auch alle anderen Leihgeber nicht namentlich genannt werden, aus Angst, mit den Ideologien in Verbindung gebracht zu werden, betonte Rößler.

Das Leben während des Zweiten Weltkriegs machen Bilder vom »Entlausungszug« in Neuendettelsau ebenso greifbar wie von Hitler auf dem Hesselberg und der Abtransport behinderter Menschen aus den Diakonie-Anstalten. Rund die Hälfte aller Bewohner mit Behinderung wurde in der NS-Zeit ermordet.

Diakonie begann mit Forschung

»Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bis in die 1980er-Jahre eine örtliche Forschung zur NS-Geschichte kaum möglich war«, erklärt Hans Rößler. Damals musste er nach Recherchen im Gemeindearchiv »jede Veröffentlichung erst dem Gemeinderat zur Genehmigung vorlegen. Das kann ich als Historiker natürlich nicht akzeptieren«. Doch dann ließ die Diakonie selbst über die sogenannte Euthanasie forschen. Rößler: »Nach einer langen Zeit des Schweigens hat sich die Diakonie in den 1990er-Jahren selbst an die Spitze gesetzt und ist in die Öffentlichkeit getreten.«

Die Anstalten verlegten von 1.700 behinderten Bewohnern 1.205 in staatliche Heil- und Pflegeanstalten. 402 kamen dort bis 1945 durch Hunger-Diäten oder Gift-Injektionen ums Leben. Weitere 438 Menschen mit Behinderung starben in den sogenannten Reichsanstalten in Hartheim oder Grafeneck durch Giftgas.

»Wie kann man in einem christlich geprägten Dorf so eine Tafel aufstellen?«

Ein Bild der Ausstellung zeigt den Abtransport von Behinderten aus Bruckberg. Am Bahnhof in Neuendettelsau hing das Schild: »Juden haben in der Ortschaft keinen Zutritt.« Hermann Vorländer, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins, kann das schwer ertragen: »Wie kann man in einem christlich geprägten Dorf so eine Tafel aufstellen? Der Ort ist durch Wilhelm Löhe geprägt, durch die Nächstenliebe und durch die Arbeit der Mission«, beteuert Vorländer.

Jedes Bild erzählt mit kurzen Texten eine Geschichte – so wie die des Bauern Michael Deuer, der stolz lächelnd vor einem Pferd steht, ein kleiner Bub sitzt auf dem Gaul. Deuer hatte das Tier bei einem jüdischen Händler gekauft und flog deswegen 1934 aus dem Gemeinderat. Derart kurze Biografien ziehen sich als roter Faden durch die Schau.

Zwischen den Bildern tauchen in den Vitrinen Alltagsgegenstände auf – die kleine Ausstellung ist sehenswert: Sie gibt durch die persönlichen Aufnahmen einen Einblick in die NS-Zeit in der fränkischen Provinz, die aber so in fast jeder deutschen Kleinstadt entstanden sein könnten.

Ausstellungs-Infos

Das Löhe-Zeit-Museum Neuendettelsau ist von April bis November an Sonn- und Feiertagen (außer Karfreitag und Fronleichnam) von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt für Erwachsene zwei Euro, Kinder und Jugendliche sowie Gruppen erhalten Ermäßigungen. Mehr Infos finden Sie hier.