Das Leben von Sylvester war nicht einfach. Er konsumierte Alkohol und Drogen, geriet auf die schiefe Bahn und kam aufgrund seiner Suchterkrankung schließlich in die Klinik für Forensische Psychiatrie im Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Dort soll er nicht nur lernen, ein sucht- und straffreies Leben zu führen, sondern später auch verlässliche Beziehungen und ein gutes soziales Miteinander zu pflegen.
Therapieangebote gibt es dabei genügend: Einzel- und Gruppenpsychotherapie, störungsspezifische Gruppentherapie, Ergo- und Sporttherapie, Kunsttherapie und Erlebnispädagogik und bei Lockerung des Freiheitsgrads auch die Teilnahme am kulturellen Leben. Ein knappes Jahr ist Sylvester nun schon in der Klinik und hat sich auf den langen Weg der Suchttherapie eingelassen, auch wenn er am Anfang so manches eher milde belächelt hat – so zum Beispiel auch ein Projekt der ganz besonderen Art im Rahmen der Kunsttherapie.
Kunstprojekt in der Psychiatrie Bayreuth mit Ute Baumann
Bereits zum dritten Mal hat die freie Künstlerin und Kunstvermittlerin Ute Baumann nun schon mit den Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie zusammengearbeitet, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mithilfe von Schwarzlicht sind ausdrucksstarke Fotografien und sogar schon eine eigene Ausstellung entstanden. Dafür haben sich die Teilnehmer gegenseitig das Gesicht mit Neonfarben bemalt und sich dann vor eine Fotowand gestellt.
Entstanden sind aber nicht einfach nur schöne Bilder, sondern Fotografien, die jeweils einen eigenen Namen tragen und somit auch ganz besondere und individuelle Geschichten erzählen. Der Skeptiker, der Traurige, der Sprachlose, der Deprimierte – die Titel sprechen für sich. Sylvester jedenfalls ist begeistert und sieht in der Kunsttherapie eine gute Möglichkeit, um ein für alle Mal von seiner Sucht loszukommen. "Auch wenn ich das Projekt am Anfang eher belächelt habe, habe ich mit der Zeit gemerkt, dass ich ernst genommen werde und ganz aus mir herausgehen kann", sagt der heute 32-Jährige rückblickend, "außerdem ist es für mich ein schönes Gefühl, etwas geschafft zu haben, ohne Alkohol und Drogen zu konsumieren."
Die Idee, mit Schwarzlicht zu arbeiten, kam von Künstlerin Ute Baumann und stieß nicht nur bei den Patienten, sondern auch beim zuständigen Sozialpädagogen und Therapeuten Daniel Golla sofort auf Begeisterung. "Das Schwarzlicht bietet viele individuelle Möglichkeiten, jeder kann sich auf seine Weise ausdrücken, ohne dabei erkannt zu werden", erzählt Baumann, "und im Schwarzlicht vereinen sich eben auch ganz verschiedene Kunst-Genres, von der Fotografie und der Musik bis hin zu Theater und Tanz."
Therapiegruppe nennt sich "artcore@live"
Tatsächlich ist sogar ein kleiner Spielfilm entstanden, in dem die Teilnehmer jeweils ihr eigenes Suchtpanorama erarbeitet haben. Die Therapiegruppe, die sich selbst den Namen "artcore@live" gegeben hat, ist im Laufe des Projekts stark zusammengewachsen, auch wenn immer wieder neue Patienten dazukommen und andere entlassen werden.
Ins Leben gerufen wurde die Gruppe 2013 von dem Stationsarzt der Forensischen Abteilung Rudolf Pappenberger und dem Sozialpädagogen Daniel Golla. Seit 2015 wird sie gemeinsam mit Künstlerin Ute Baumann fortgeführt und auch mit Ausstellungen nach außen transportiert.
Kommunikation ohne Worte
"Insgesamt bietet die Kunst eine gute nonverbale Möglichkeit, um im Rahmen einer Therapie seine Gefühle ausdrücken zu können", sagt Golla, "außerdem kann man durch die Kunst sein Innerstes nach außen kehren, ohne ständig nach den passenden Worten suchen zu müssen." Auch traumatische Erlebnisse oder Schicksalsschläge können auf diese Weise kreativ verarbeitet werden. Die Ausstellung der mit Schwarzlicht kreierten Fotografien war ein voller Erfolg und in der Zwischenzeit sind aus den Bildern sogar Therapiekarten entstanden, mit denen in den therapeutischen Gruppen gearbeitet werden kann.
Der 32-jährige Sylvester hat es geschafft, er ist in der Therapie schon ein großes Stück weitergekommen und beginnt trotz seines Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus bald eine Ausbildung zum Land- und Baumaschinenmechatroniker in Bayreuth. "Ich war richtig erstaunt, wie viel Interesse die Leute an unseren Fotografien haben", bekennt der junge Mann, "und mir ist es einfach wichtig, begleitet zu werden."