Melanie Wostratzky eilt von Tisch zu Tisch. Die Kellnerin räumt leere Gläser und Teller auf ihr Tablett. "Ich bringe Ihnen gleich die Karte", ruft sie einem Gast zu, der leicht ungeduldig wartet. Der mittelfränkische Biergarten, in dem sie seit drei Jahren arbeitet, hat rund 100 Plätze.
"Ich bräuchte dringend Unterstützung", sagt die Servicekraft. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages haben momentan rund 70 Prozent der Betriebe Probleme, Personal zu finden. Besonders stark ausgeprägt ist dieser Fachkräftemangel in der Gastronomie.
Alleinerziehende Mutter muss zusätzlich putzen gehen
Die alleinerziehende zweifache Mutter hat während des Lockdowns in der Pension - die zu dem Gasthaus gehört, in dem sie auch kellnert - die Zimmerreinigung übernommen, um weiterhin ein festes Gehalt zu beziehen. "Das Putzen war eigentlich nur eine Notlösung", sagt sie.
"Der Service und das Arbeiten mit den Menschen ist es, was mir wirklich Freude bereitet."
Laut der Bundesagentur für Arbeit lag die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe im Juli 2021 bei rund einer Million Personen - im Vergleich zum letzten Vor-Pandemie-Jahr 2019 ein Rückgang von etwa zehn Prozent. Susanne Droux vom Gaststättenverband Dehoga Bayern sieht die Branche vor einem Paradigmenwechsel: "Vor der Pandemie gab es viele geringfügig beschäftigte Kellner, wie Studenten und Alleinerziehende, die sich nebenbei etwas dazuverdienen wollten", sagt sie.
"Durch den Lockdown sind viele Studierende zurück zu ihren Eltern gezogen. Parallel haben sich Angestellte eine Stelle im Lebensmittelladen an der Kasse oder in der Fabrik gesucht."
Diese Menschen zurückzugewinnen, sei eine Mammutaufgabe, sagt die Arbeitgeber-Vertreterin.
Mehr Geld ist nicht alles
Droux, die ständig im Austausch mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern steht, sieht mehrere Möglichkeiten, um der Personalnot langfristig entgegenzuwirken. "Ein höheres Gehalt ist sicherlich eine wichtige Stellschraube, aber nicht die einzige", sagt sie. Auch materielle Güter, die sofort beim Arbeitnehmer ankommen, wie Tankgutscheine, Arbeits-Handys und -Tablets seien probate Mittel, um Mitarbeiter zu binden.
Weitere Entlastungsmöglichkeiten seien die Digitalisierung der Reservierungen und langfristig angelegte Dienstpläne. "Das ist aber momentan schwierig, da sich viele aufgrund von Corona-Infektionen in Isolation befinden," beschreibt Droux.
Die verbindlichen Öffnungszeiten, die während des Lockdowns galten, sorgten für fixe, planbare Arbeitszeiten.
"Die Tatsache, dass jeden Tag zur selben Uhrzeit Feierabend war und der Kellner nicht aufgrund eines einzigen Gasts länger arbeiten musste, war etwas, was die Angestellten sehr begrüßt haben. Das war uns eine Lektion."
Auch die Ausbildungsrate in der Hotellerie soll laut Dehoga um zehn Prozent erhöht werden. Eine Maßnahme, um dieses Ziel zu erreichen und die junge Zielgruppe anzusprechen, sind Social-Media-Kampagnen. Durch Kurzvideos etwa auf TikTok oder Instagram soll Interesse für die Gastronomie als Arbeitgeber geweckt werden.
Entscheidend ist das Zwischenmenschliche
Droux betont, dass das Zwischenmenschliche elementar wichtig sei, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. "Wir sehen, dass Arbeitgeber, die ein sehr familiäres Arbeitsumfeld - auch in Zeiten der Pandemie - aufrechterhalten haben, einen geringeren Mitarbeiterverlust verzeichnen", sagt sie.
"Während des Lockdowns konnten beispielsweise virtuelle Weinproben, gemeinsame Vesper-Abende mit verschenkten Brotzeitkörben und Geburtstagsfeiern abgehalten werden." Sie appelliert an Arbeitgeber:
"Ein familiäres Arbeitsumfeld ist das Einzige, was Mitarbeiter langfristig bindet."
Kellnerin Wostratzky liebt ihren Beruf trotz der oft langen Arbeitszeiten. "Ich bin froh, dass ich nicht mehr nur die Zimmer machen muss, sondern wirklich wieder in den Service kann", sagt sie.
"Der Austausch mit den Gästen und das Zwischenmenschliche haben mir während des Lockdowns sehr gefehlt."