Der Kirchenkreis Regensburg ist einer der strukturellen Gegensätze: Er gehört zwar zu den jüngeren (1952 entstanden) der sechs bayerischen Kirchenkreise, ist aber flächenmäßig der größte. Im Vergleich zu den fränkischen Kirchenkreisen, die eine fast geschlossene, jahrhundertealte evangelische Tradition aufweisen, entwickelte sich der Kirchenkreis Regensburg nicht linear, sondern punktuell.

Es gab die ehemaligen Reichsterritorien, die unabhängig vom Herzogtum Bayern bereits kurz nach der Reformation evangelisch wurden und ihre Konfession über Jahrhunderte beibehielten, wie die Reichsstadt Regensburg, die Grafschaft Ortenburg in Niederbayern, die oberpfälzische Herrschaft Wolfstein oder das "Sulzbürger Landl" bei Neumarkt. Die Oberpfalz und das Herzogtum Pfalz-Neuburg hatten sich unter den pfälzischen Wittelsbachern zwar ebenfalls der Reformation zugewandt, "wurden im 17. Jahrhundert aber größtenteils unter Zwang rekatholisiert", sagte Archivdirektorin Andrea Schwarz bei der Eröffnung der Ausstellung, an der auch die Dekane des Kirchenkreises teilnahmen.

Ausstellung zeigt Geschichte des Kirchenkreises Regensburg

In den großen Gebieten Nieder- und Oberbayerns, die seit jeher unter bayerischer Herrschaft standen, entwickelten sich evangelische Gemeinden erst allmählich in der Zeit des Königreichs. Die große Masse an Protestanten aber wanderte erst nach Flucht und Vertreibung infolge des Zweiten Weltkriegs zu. "Man sprach von der sogenannten Flüchtlingsdiaspora", erklärte Archivoberrat Daniel Schönwald bei der Einführung. Nach 1945 wurden hier vorwiegend evangelische Schlesier ansässig. "Dies führte zu einer bis dato ungekannten Blüte des evangelischen Lebens in Ostbayern", sagte Schönwald.

Dass Seelsorge gerade in Notzeiten gefragt war, veranlasste den damaligen Landesbischof Hans Meiser 1949 zu einer zehntägigen Reise in die ostbayerischen Diasporagebiete und besonders zu den Flüchtlingsgemeinden. Die Original-Abrechnung der Fahrtkosten findet man in der Ausstellung: "22 Personen fuhren zum Tarif von 1 DM." Eine Station war Immenreuth im Dekanat Weiden mit seiner Martin-Luther-Notkirche, einer früheren Baracke. "Bei den Heimatvertriebenen entwickelte sich der Besuch Meisers zu einer festlichen Massenveranstaltung", heißt es in der Schau.

Die Kirchenordnung Pfalz-Neuburg von 1543.
Aus dem Jahr 1543: die Kirchenordnung Pfalz-Neuburg.

Das führte in den Nachkriegsjahrzehnten zu einer allerorten im Kirchenkreis zu verzeichnenden Bautätigkeit: Kirchen, Pfarrhäuser, Gemeindehäuser, Kindergärten und andere Einrichtungen entstanden. In den Vitrinen finden sich dazu Plakate des Evangelischen Siedlungswerks. Der Kirchenkreis bestand am 1. Februar 1952 nur aus sieben Dekanaten, 1971 wurde das Dekanat Ingolstadt dem Kirchenkreis zugeschlagen, um einen gewissen Größenausgleich zwischen Regensburg und München zu erreichen. 1998 wurde das neu gegründete Dekanat Freising vom Dekanat Landshut abgespalten.

Seit Errichtung des Kirchenkreises amtierten sieben Kreisdekane bzw. Regionalbischöfe: Neben Fotos der früheren Amtsträger findet sich auch ein Leumundszeugnis, das bei dem ersten Kreisdekan Wilhelm Koller (1952-1964) verwendet wurde. Es war nicht etwa auf ihn, sondern seine Ehefrau erstellt. "Es ging um einen Nachweis, dass die Frau einen guten und würdigen Leumund hat, der die Voraussetzung dafür ist, dass sie eine gute Pfarrfrau werden kann", erklärte Schönwald.

Dietrich Bonhoeffer als Symbolfigur

Auch die drei exemplarisch ausgewählten Institutionen mit überregionaler Bedeutung wie die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, das Alumneum Weiden und die Einrichtungen in Ortenburg sind laut Schönwald nicht zu unterschätzen. So sieht man in der Ausstellung eine Schallplattenhülle mit Texten des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im KZ Flossenbürg ermordet wurde. Er sei als Symbolfigur für den Kirchenkreis gedacht.

Auch Material aus den Tagen des Widerstands gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf liegt in den Vitrinen. Die Landeskirche hatte sich in dem Streit klar positioniert. Unter anderem wurde damals Haydns Schöpfung in der Dreieinigkeitskirche aufgeführt. Landshuts Dekan Siegfried Stelzner erinnerte sich am Rande der Ausstellungseröffnung: "An dem Konzert gegen die WAA habe ich selbst teilgenommen."

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