Mächtig, massiv, felsenfest thront das Steinkreuz hinter dem Jodl-Grab auf dem Friedhof auf der Fraueninsel im Chiemsee.

Links und rechts auf zwei kleineren Steinen sind die Namen "Irma" und "Luise" zu lesen, sie sind nicht das Problem. Der seit Jahren währende Ärger entfacht sich am Namen in der Mitte, direkt auf dem Kreuz, groß steht da: "Alfred Jodl, Generaloberst, 1890-1946".

Hitler-General Alfred Jodl ist ein verurteilter Kriegsverbrecher

Nun gibt es mit diesem Namen, der mittlerweile durch eine Steinplatte verdeckt wird, zwei Probleme: Erstens ist Alfred Jodl hier nicht bestattet; er wurde verbrannt und seine Asche in einem Seitenarm der Isar verstreut.

Zweitens, und das ist der eigentliche Skandal, sagen die Gegner des Mals, ist Hitler-General Alfred Jodl ein verurteilter Kriegsverbrecher. Und für so jemanden dürfe es keinen "Gedenkstein" geben.

Bei der Staatsanwaltschaft Traunstein gingen diverse Strafanzeigen ein

Was nachvollziehbar scheint, ist rechtlich nicht so trivial. Immer wieder beschäftigten Gedenktafeln und Ähnliches für verstorbene Nazis Gemeinden, Kommunen und Gerichte.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage, dass dort rund um das Jodl-Grab diverse Strafanzeigen wegen verschiedener Vorwürfe eingegangen sind - wegen Volksverhetzung, aber auch wegen Nötigung und Sachbeschädigung.

Deshalb muss sich an diesem Mittwoch (25. August) etwa der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner vor dem Landgericht Traunstein verantworten; er kämpft seit Jahren mit verschiedenen Aktionen gegen das Grab.

Gemeinde Chiemsee will Erinnerung an Kriegsverbrechen entfernen

Doch solche öffentlichen Erinnerungen an Kriegsverbrecher zu entfernen, ist nicht so einfach, wie das Beispiel Jodl zeigt: Die Gemeinde Chiemsee etwa scheiterte unlängst vor Gericht, als sie das Grabrecht nicht verlängern wollte.

Auch der bayerische Landtag hat sich mehrfach mit dem Jodl-Grab beschäftigt. Zuletzt wollte die SPD mit einem Gesetzesentwurf zur Änderung des Bestattungsgesetzes dafür sorgen, dass der Stein verschwindet.

"Gedenksteine und Denkmäler für verurteilte NS-Hauptkriegsverbrecher sind auf Friedhöfen nicht hinnehmbar", sagte der SPD-Abgeordnete Florian Ritter. Sie böten auch die Gefahr, zu Pilgerstätten rechtsextremer Gruppierungen zu werden.

Kriegsverbrechergrab auf der Fraueninsel stellt Einzelfall dar

Doch der Landtag lehnte den Entwurf im Dezember mehrheitlich ab. Zwar sei "jede Art des Andenkens an verurteilte Hauptkriegsverbrecher widerwärtig" und "auf das Schärfste abzulehnen", sagte der CSU-Abgeordnete Matthias Enghuber.

Doch die Gesetzesinitative wolle Gemeinden etwas ermöglichen, was bereits jetzt von ihnen geregelt werden könne. Zudem sei das Problem nach der Auflösung des Hess-Grabes in Wunsiedel nur noch auf diesem einen Friedhof in Bayern akut.

Das Beispiel sei also ein Einzelfall und die Gemeinde ohnehin auf dem Weg, das selbst zu lösen. "Es geht aber nicht gegen den, sondern aktuell nur mit dem Inhaber der jetzigen Grabnutzung", sagte der Grünen-Abgeordnete Martin Runge.

Daher brauche es kein weiteres Aufheizen der Fronten, er setze auf eine friedliche Einigung der Hinterbliebenen mit der Gemeinde. Auch er wünsche sich, dass das Grabdenkmal komplett verschwinde. "Das lässt sich aber nicht mit der Brechstange erreichen."

Es gebe keine rechtliche Grundlage, die Gemeinde ungeachtet des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes und gegen den Willen des Grabnutzungsberechtigten zu einer Beseitigung des Steins zu verpflichten, ergänzte Enghuber. "Als Gesetzgeber müssen wir hier nicht handeln".

Petition: Grab als Verherrlichung der Taten Jodls 

Dennoch sieht es danach aus, dass sich der Landtag einmal mehr mit dem Familiengrab Jodl beschäftigen muss. Eine jüdischstämmige Frau aus der Nähe von Hannover hat sich mit einer Petition an Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) gewandt.

Auch sie bittet darum, das "öffentliche Ehrenmal" entfernen zu lassen. Es "übersteige den Bereich der Geschmacklosigkeit" und sei eine "Belästigung der Allgemeinheit", eine Person öffentlich zu ehren, die als Hauptkriegsverbrecher vom Internationalen Militärgerichtshof zum Tode verurteilt worden ist. Daher hat sie auch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Traunstein erstattet.

Als Chef des Wehrmachtführungsstabes war General Alfred Jodl einer der engsten Berater von Adolf Hitler. Man wolle nicht das individuelle Trauer- und Erinnerungsverhalten der Familie kritisieren.

Das Grab sei jedoch nur ein Scheingrab und stelle eine Verherrlichung der Taten von Jodl dar und damit eine Volksverhetzung gemäß Paragraph 130 des Strafgesetzbuches. Die Petition wird laut einem Landtagssprecher im Herbst im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport auf die Tagesordnung genommen.

Aktionskünstler Kastner setzt sich für Entfernung des Grabes ein

Auch Aktionskünstler Kastner kämpft seit Jahren gegen den Stein. Er hat ihn beschmiert, "Kriegsverbrecher" darauf geschrieben und das "J" entfernt - sodass nur noch "ODL" übrigblieb. Keiner konnte ihm bisher erklären, wie ein Ehrenkreuz für einen Massenmörder dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, sagte er dem epd.

Solche Selbstjustiz jedoch hätte die Fronten vor Ort verhärtet und eine einvernehmliche Lösung verhindert, kritisierte Enghuber. Der Bürgermeister der Gemeinde, der sich auf epd-Anfrage nicht äußern wollte, habe allerdings versichert, dass man an einer Lösung arbeite.

Steintafel verdeckt Name, Lebensdaten und Titel auf Grabstein

Immerhin: Mittlerweile sind Name, Lebensdaten und Titel von Alfred Jodl auf dem Kreuz nicht mehr zu lesen. Die Grabnutzungsberechtigten ließen eine Steintafel anbringen, die sie verdeckt.

Ein brauner Misthaufen stinke weiter, auch wenn versucht werde, ihn zu kaschieren, sagte dazu der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Florian von Brunn, dem epd. Er und viele andere werden erst zufrieden sein, wenn der Stein ganz verschwunden ist.