Sonja Dietel arbeitet seit neun Jahren in der evangelischen Altenheimseelsorge. Irgendwann fiel der Pfarrerin auf, dass viele Menschen Gegenstände aufbewahren, die sie auf teils ungewöhnlichen Wegen aus der alten Heimat mitgenommen haben. Eine heute 89-jährige Frau, deren Heimat im jetzigen Polen liegt, musste im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern wegen des Krieges fliehen. Neben Kleidung und Proviant musste das Gesangbuch mit. Sie hat es noch. Oder eine 94 Jährige, die von ihrem Rucksack erzählt, der erstmals im Herbst 1944 in Rumänien gepackt wurde und der sie später im Arbeitslager und auf der Flucht begleitet hat.

"Die Menschen trennen sich von solchen Dingen nicht leichtfertig, sie sind Teil ihrer Identität", erklärt Dietel. Im Gespräch mit den Pfarrerinnen Aguswati Hildebrandt Rambe von der Fachstelle für interkulturelle Öffnung und Kerstin Voges, Migrationsbeauftragte des Nürnberger Dekanats, fiel auf: Auch die Geflüchteten, die seit 2015 kamen, haben solche Stücke dabei.

Wegen Glaube verfolgt

Gezeigt wird eine Äthiopierin, 26, die zur Volksgruppe der Oromo gehört und daher in ihrer Heimat als regierungskritisch gilt. Als sie hörte, dass die Polizei sie suche, ließ sie alles liegen und stehen, packte für die Flucht nur das Nötigste. Die Halskette, die ihre Mutter ihr als Kind geschenkt hatte, musste mit. Wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt wurde eine Iranerin, die sich sogar ein Kreuz von einem Juwelier aus einem Edelstein hatte anfertigen lassen. Ein Symbol, das sie während der Flucht immer bei sich trug und das ihr gefährlich hätte werden können. Aber die 34-Jährige vertraute auf Gott – und kam sicher nach Deutschland.

Nachdem die Idee gereift war, aus solchen Begegnungen eine Ausstellung zu kreieren, wurden Interviews geführt und die Geschichten aufgeschrieben. "Mit dem Begriff der Flucht verbinden viele Menschen ein negatives Bild. Vielleicht kann unser Projekt dazu beitragen, dass dieses Bild korrigiert wird", meint Aguswati Hildebrandt Rambe. Kerstin Voges hofft, dass sich die Besucher mit den Geschichten identifizieren können. "Was Ängste abbaut, sind Begegnungen und die Möglichkeit, sich in einen anderen Menschen einzufühlen", sagt sie.

Kein Blick in die Kamera

Mit dem Nürnberger Fotografen Wolfgang Noack fand das Trio einen Profi, der nicht nur Menschen ins rechte Licht setzt, sondern deren Persönlichkeit einfängt. Seine Bilder zeigen die Personen nicht nur lächelnd, sondern auch sehr ernst, manche wenden ihr Gesicht von der Kamera ab – mitunter, weil sie nicht erkannt werden wollen, weil ein Asylverfahren läuft. Manchmal auch, weil sie sehr persönliche Erlebnisse mit den Betrachtenden teilen. "Man kann einen Menschen aber auch aus seiner Geschichte heraus darstellen, ohne das Gesicht zu zeigen", erklärt Noack.

Mancher Porträtierte ist schon lange in seiner neuen Heimat angekommen. Andere werden sich hier vielleicht nie ganz heimisch fühlen, wieder andere bangen ums Bleiben. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie sich ein kleines Stück Heimat immer erhalten wollen – und werden.

INFO

Die Ausstellung kann man noch bis zum 30. Mai montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags und in den Osterferien auf Anfrage im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus ansehen. Am 4. April findet um 19 Uhr dort eine Vernissage statt. Erschienen ist auch ein Begleitband. Weitere Infos unter www.sehnsucht-heimat.de