Darf man einen Bibelspruch auf einem säkular genutzten Gebäude überblenden oder verletzt man damit die christlichen Wurzeln? Diese Frage beschäftigt gerade das Humboldt-Forum in Berlin. Grund der Diskussion ist das geplante Projekt, die "biblische" Inschrift auf der Kuppel des Berliner Schloss, Sitz des Humboldt-Forums, in der Nacht zu überblenden. Kritik wird vor allem auf Seiten der CDU/CSU laut.

Vollständig lautet die Inschrift auf dem Berliner Schloss: "Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zu Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Die Inschrift besteht aus zwei Bibelzitaten

Zunächst einmal besteht die Inschrift aus zwei Bibelversen des Neuen Testamentes und ist so gesehen als Satz kein wörtliches Zitat aus der Bibel.

Der erste Teil der Inschrift stammt aus dem 4. Kapitel der Apostelgeschichte "Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden." Die Apostelgeschichte erzählt von der Gründung der christlichen Kirchen und der Verbreitung des Christentums im Römischen Reich.

Der zweite Teil stammt aus dem Brief des Paulus an die Philipper "dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,". Paulus schrieb den Brief an die Philipper, als er selbst im Gefängnis saß und die Gemeinde von Irrlehren verwirrt wurde. Philippi war als römische Kolonie dicht besiedelt von römischen Veteranen.

Für die Inschrift auf dem Berliner Schloss wurden die Verse aus der Apostelgeschichte und dem Brief an die Gemeinde in Philippi zusammengesetzt.

Bibelsprüche als Ermutigung für die ersten christlichen Gemeinden

Die zwei Bibelsprüche sind in der Zeit, in der sie geschrieben wurden, als Ermutigung für die ersten christlichen Gemeinden zu verstehen. Als eine Aufforderung den Glauben nicht für eine im Staat herrschende Autorität aufzugeben. Eben nicht vor dem römischen Staat das Knie zu beugen und sich damit gleichzeitig auch zur römischen, polytheistischen Religion zu bekennen, die vom Staat nicht trennbar war. Als Mitglied einer christlichen Gemeinde war man zu dieser Zeit noch einer Minderheitenreligion angehörig.

Politische Motivation hinter Anbringung der Inschrift

Etwas anders sah die Situation Mitte des 19. Jahrhundert in Preußen aus. Die herrschende Elite war protestantisch und auch ein Großteil der Bevölkerung gehörte dem protestantischen Glauben an. In Europa herrschte eine Stimmung, die den absoluten Herrschaftsansprüchen der Monarchen kritisch gegenüberstand, in immer mehr Ländern kam es zu Revolutionen. So auch in Preußen. 1848 sah sich auch König Friedrich Wilhelm IV. in seinem Herrschaftsanspruch bedroht und in Frage gestellt.

Festigung des Machtanspruches von Friedrich Wilhelm IV. durch göttliche Legitimation

Um sich und seine Macht zu legitimieren entschied er sich beim Bau der Kuppel des Berliner Schlosses gegen die Entwürfe des Architekten und Baumeisters Friedrich Wilhelm Schinkel, der ein dem Pantheon ähnliches offenes Konzept plante. Friedrich Wilhelm IV. ließ eine geschlossene Kuppel bauen, auf deren Haupt er ein großes Kreuz setzen ließ. Um die Kuppel herum ließ er als Inschrift eine Zusammensetzung der zwei Bibelstellen anbringen. Sie wurden von ihm bewusst gewählt und zusammengesetzt, um seinen Machtanspruch als göttlich legitimiert untermauern.

Überblendung des Textes bei Nacht geplant

Über diese bewusste Nutzung der biblischen Verse ist man sich im Humboldt-Forum bewusst. Wie der Sprecher der Stiftung des Humboldt Forum am Mittwoch auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mitteilte, plane man deshalb nachts Texte mittels LED-Technik auf den Schriftzug projizieren. Im Dunkeln sei der Original-Schriftzug ohnehin nicht zu sehen. Dieser würde nachts "kurzzeitig" überblendet, falls das Kunstprojekt zustande kommen sollte. Dieses Projekt diene dann wie andere bereits im Humboldt Forum realisierte Aktionen der Auseinandersetzung mit der Geschichte des rekonstruierten Stadtschlosses, sagte Stiftungssprecher Michael Mathis. Zu sehen sein sollen dann beispielweise Texte aus dem Grundgesetz oder der Menschenrechtserklärung.

Claudia Roth unterstützt geplantes Projekt

Kultusstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat als Stiftungsratsvorsitzende das Vorhaben verteidigt. Mit der Überblendung der Inschrift werde nur sichtbar gemacht,

"dass sich das Humboldt Forum mit ihrer Aussage kritisch auseinandersetzt."

Monika Grütters (CDU) war als Vorgängerin von Roth ebenfalls Stiftungsratsvorsitzende des Humboldt Forums und kennt das Projekt zur künstlerischen Einordnung bereits seit seiner Vorstellung im Stiftungsrat im November 2021.

Auch die Bundesregierung begrüßt in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ,

"dass die Stiftung Elemente der Rekonstruktion des Berliner Schlosses durch geeignete Formate und Maßnahmen kontextualisieren wird".

Eine Informationstafel mit einer historischen Einordnung der Bibel-Zitate und des Kuppelkreuzes soll schon in den kommenden Monaten auf der Dachterrasse des Humboldt Forums errichtet werden. Beide Aktionen sind nicht als Kritik am Christentum im Allgemeinen gedacht, sondern sollen die bewusste Instrumentalisierung biblischer Texte und christlicher Symbole auf politischer Ebene sichtbar machen.