Vor einem Altar stehen ein Mann und eine Frau Hüfte an Hüfte, jeder auf einem Bein. Sie haben die Wangen aneinandergelegt und die Handflächen berühren sich, einmal vor ihren Bäuchen, einmal über den Köpfen.

Zusammen stehen sie so sicher ausbalanciert als "Baum", eine Asana, eine Yoga-Übung. Das Foto, in der Fürther Kirche St. Paul aufgenommen, wirbt für das neue Buch "Biga - die Bibel ganzheitlich nehmen", das Anfang Juni erscheint.

Wer hinter dem Buch "Biga" über Bibel-Yoga steckt

Hinter der Idee Biga stecken Theologin Andrea König und Pfarrer Günter Kusch. Recht sportliche Typen: Sie sitzt gern auf dem Mountainbike, er joggt viele Runden um den Nürnberger Dutzendteich. Im evangelischen Amt für Gemeindedienst denken sie sich Konzepte für kirchliche Männer-, Frauen- und Singles-Arbeit aus. Beide haben sie Yoga-Kurse belegt.

Beim Ratsch in der Kaffeeküche des Amtes war irgendwann der Einfall da, man könne doch zu biblischen Texten einen Zugang über Körperbewegung suchen, sozusagen Mose, Josef und Maria mit Yoga verbinden. "Wir sind immer ein bisschen Seismographen", beschreibt König ihre Aufgabe. Sie spürten in die Gesellschaft, welche Themen die Menschen bewegten "und ein großer Teil der Gesellschaft interessiert sich für Yoga und für spirituelle Themen". Da könne Kirche andocken.

Lebenserfahrungen aus der Bibel Gehör schenken

Er wolle Menschen einladen, sich mit dem Evangelium auseinanderzusetzen, sagt Günter Kusch. "Ich merke immer, wenn ich in der Bibel lese, da sind tolle Figuren drin, Lebenserfahrungen, die ich nachempfinden kann, Antworten und Lösungen. Das wäre schade, wenn das heute nicht mehr gehört würde". Yoga könne "eine gute Hilfe" sein, die Bibel wieder neu zu lesen.

Mit Texten zu acht verschiedenen Figuren aus der Bibel, vier Frauen und vier Männer, wollen sie also nun mit ihrer neuen Methode Biga existenzielle und spirituelle Fragen der Gegenwart aufgreifen und zudem Rollenklischees hinterfragen.

Mit der "Berghaltung" das eigene Leben reflektieren

Günter Kusch denkt an Mose, der das gelobte Land niemals betreten kann. "Er darf auf den Berg hinauf und noch mal einen Blick auf sein Ziel werfen".

Den Gedanken, sich von Zielen verabschieden zu müssen, habe jeder einmal, erklärt der Pfarrer. "Und da gibt es im Yoga die 'Berghaltung', in der man einfach mal zum Stillstand kommt, das eigene Leben reflektiert".

Aus dieser Berghaltung heraus könne man Schritte machen, mit denen man bewusst nach vorn und zurückgehe und eine andere Haltung einnehme. Diese Übung stehe für die Überlegung, "welcher Weg jetzt gut ist".

Kraft sammeln und Balance halten

Nachempfinden, was Mose, Martha, Josef oder Maria einst gedacht haben, nimmt sich Biga vor. Andrea König ist Deborah aus der Bibel besonders nah. Sie sitzt in Ruhe auf einem Berg unter Palmen und hat Alternativen abzuwägen.

"Die Deborah ist eine vielfältige Person, sie ist Prophetin, sie zieht mit in den Krieg, muss Kraft für ihre Standfestigkeit und die Entscheidungen sammeln". Die dazu gehörende Übungseinheit beginnt mit einer Meditation und dem Reinhören in sich selbst, sie hat etwas mit dem Kraft sammeln und Balance halten zu tun.

Kusch: Kirche muss ganzheitlich denken

Man könne nicht alles der Vernunft unterordnen, auch der berühmte Theologe Karl Rahner (1904 bis 1984) habe gesagt, dass die Zukunft der Kirche eine mystische sein müsse, erklärt Kusch.

Die Kirche müsse ganzheitlich denken, sonst gebe es sie nicht mehr. Wer sich selbst spüre und die eigene Mitte finde, könne vielleicht auch finden, dass er Geschöpf Gottes sei. "Es wird in mir vielleicht einen göttlichen Funken geben, den ich durch solche Übungen wiederentdecken kann".

Yoga in der Kirche mit dem Biga-Buch

Atemübungen, Gebete, Segensworte und Asanas enthält das Biga-Buch. Man könne es aufschlagen und allein üben, es aber auch zum Anlass nehmen, ein Wochenende mit Kirchenvorstehern, biblischen Geschichten und Yoga zu verbringen: Bänke aus der Kirche raus, Yogamatten auf den Kirchenboden, das wäre so recht nach dem Geschmack der beiden Autoren.

Wer Yoga und Bibel in seiner Gemeinde anbieten will, kann sich Ende Juni sogar bei einem Seminar zum "Biga-Teacher" ausbilden lassen.

Biga statt Yoga

Biga statt Yoga? Biga bedeutet: die "Bibel ganzheitlich" erfahren. Vier Männer und vier Frauen der Bibel bringen dabei das Leben in Balance. Ihre Lebensthemen können mithilfe von Yoga-Übungen nacherlebt werden. Farbige Bilder, erzählende Texte und Asanas unterstützen dabei.

Mit acht Personen machen sich die Leser*innen auf den Weg hinein in die Geschichten der biblischen Menschen und ihrer Zeit. Bei Martha erleben sie nicht nur eine Frau mit Fürsorge und Mental Load, sondern auch eine echte Drachenbändigerin. Bei Josef wiederum geht es um Liebe und Treue trotz aller Zweifel an der eigenen Vaterschaft, um den Sinn des Lebens und neue Aufgaben.

Die Geschichten der vier Männer und vier Frauen aus dem Alten und Neuen Testament werden mit Yoga-Übungen verbunden. Vielfältige Asanas, Körperübungen und Gesänge erwecken diese Menschen auf ungewöhnliche Weise zum Leben. Die Übenden empfinden nach, was diese Frauen und Männer einst gedacht, gefühlt und gespürt haben. Biga bedeutet daher, Glauben, Bibel und biblische Figuren ganzheitlich zu erleben. Zusätzlich gibt es informative Artikel zu Themen wie "Yoga und Gender", "Yoga und Glaube" oder "Yoga und Mystik". Interviews mit Yoga-Übenden und Yogalehrer*innen ergänzen das Buch, das Mut und Lust macht zu einem Körper und Geist verbindenden Bibelverständnis.

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