Etienne Denk lebt in München, studiert Philosophie und ist Pressesprecher bei der bundesweit agierenden Klimastreik-Bewegung "Fridays for Future" (FFF).

Der epd hat mir ihm darüber gesprochen, wie ernst der Kampf gegen Corona genommen wird und warum die Entschlossenheit im Kampf gegen die Klimakrise fehlt.

Ganze Wirtschaftszweige liegen brach, die Regierungen stellen riesige finanzielle Hilfspakete bereit. Eine Zeit globaler Veränderungen. Greift die Corona-Pandemie dem globalen Klimaschutz unter die Arme?

Denk: Die Corona-Krise hat Handlungsspielräume geöffnet, die früher undenkbar waren. Die perfekte Chance, eine grüne Transformation anzustoßen, eigentlich. Wir dürfen nicht vergessen: Die enormen Summen, die die Staaten jetzt in die Wirtschaft pumpen, sind große Investitionen, die ohne Corona Schritt für Schritt in den nächsten Jahren getätigt worden wären. Genau jetzt entscheidet die Politik über Mittel und Ressourcen, die unser aller Zukunft prägen werden. Initiativen, die gerade deshalb gefordert haben, die EU-Gelder nach einer Verordnung zu vergeben, die klimafreundliche, nachhaltige Wirtschaftszweige fördert, sind weitgehend gescheitert. Das bisherige Wirtschaftssystem schadet massiv dem Klima, das ist unbestritten. Nun hatten wir die Möglichkeit, es zu verändern. Alle Werkzeuge für eine "green recovery" lagen auf dem Tisch. Aber statt endlich neue Wege zu gehen, setzen wir alles daran, das überkommene, das alte System wieder aufzubauen.

Wo liegt die größte Schwierigkeit für eine umfassende Klimaschutzpolitik?

Denk: Klimaschutz spielt nach wie vor gegen die aktuellen Strukturen. Alles ist auf Kurzfristigkeit angelegt: Die Politik auf Wahl-, die Wirtschaft auf Quartalsergebnisse. Doch ohne einen langfristigen Horizont können wir nicht nachhaltig umbauen. Außerdem ist die Bedrohung irgendwie subtiler als durch das Virus. Ich glaube, wir haben noch nicht verstanden, wie stark uns die Kontrolle entglitten ist über das Weltklima. Viele hier in Deutschland spüren noch keinen absoluten Kontrollverlust. Aber er ist da.

In den sozialen Medien werden Vertreter von FFF immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert. Sie wollten eine Verbotskultur schaffen, die "kleinen Leute" in ihrem Alltag einschränken. Dabei würden viele Jugendliche ja selbst klimaschädlich leben?

Denk: Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, in der es fast unmöglich ist, umweltfreundlich zu leben. Individualkritik führt also nicht wirklich weiter. Große Unternehmen, die zum Beispiel von fossilen Brennstoffen profitieren, haben systematisch versucht, mit diesem Narrativ die Verantwortung auf uns als Konsumenten abzuwälzen. Der Tenor: Wir als Kunden und Käufer bestimmen das Angebot mit unseren individuellen Entscheidungen. Dabei merkt doch jeder, der versucht, auf seinen ökologischen Fußabdruck zu achten, schnell: Das ist strukturell nicht vorgesehen. Wir alle schaden dem Klima, oft haben wir nicht wirklich eine Wahl. Die Rahmenbedingungen müssen grundlegend verändert werden. Klimaschutz muss einfach werden, bequem, selbstverständlich, für den Konsumenten attraktiv sein. Viele, die das missverstehen, drücken sich so vor einer ernsthaften Debatte, diffamieren einen Aktivisten als Person und lassen die Inhalte und Argumente außer Acht. Heuchelei ist gerade beim Thema Klima ein extrem einfacher Vorwurf.