Vereinzelt finden sie jetzt auch wieder "analog" statt: die Demonstrationen der "Fridays for Future"-Bewegung. Viele junge Menschen wollen damit erneut auf den Klimaschutz aufmerksam machen - und das, obwohl aktuell ein anderes Thema die Welt dominiert: Corona.

Sonntagsblatt.de hat mit dem Umweltbeauftragten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), Wolfgang Schürger, über die Notwendigkeit gesprochen, den Klimaschutz auch weiterhin zu thematisieren.

Herr Schürger, welche Priorität hat das Thema Klimaschutz aktuell?

Wolfgang Schürger: Eine sehr hohe, das haben Umfragen in den letzten Tagen gezeigt. Die Menschen merken durch das Coronavirus, wie verletzlich unsere zivilisierten Gesellschaften sind. Und gerade der viel zu trockene April hat vielen vor Augen geführt, dass die Klimakrise durch Corona nicht einfach verschwunden ist. Ich freue mich sehr, dass auch in der Diskussion um das "Wiederanfahren" der Wirtschaft sehr deutlich zur Sprache kommt, dass dabei Klimaschutz und nachhaltiges Handeln gestärkt werden müssen. Viele namhafte Wirtschaftsvertreter und -wissenschaftler*innen haben sich da deutlich positioniert.

Was tun Sie, um den Blick trotz Corona wieder auf das Thema Umwelt und Klimaschutz zu richten?

Schürger: Wie gesagt, viele Menschen sehen die Zusammenhänge:

Während Menschen um Atemluft ringen, liegt Planet Erde im Fieberwahn.

Und anders als bei Corona kennen wir in der Klimakrise den Impfstoff schon, wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze beim Petersberger Klimadialog gesagt hat. Als Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsbeauftragte in den Gliedkirchen der EKD sprechen wir diese Zusammenhänge deutlich an, zum Beispiel auf der Seite der Nachhaltigkeitsreferentin der EKD. Wir wollen den Menschen Mut machen, den Impfstoff gegen die Klimakrise endlich aus dem Kühlschrank zu holen und beherzt anzuwenden. Wir wissen, was wir tun können!

Inwiefern wird das Thema Umweltschutz bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie berücksichtigt? Muss Klimaschutz jetzt hinten anstehen?

Schürger: Ja, in manchen Bereichen muss Umweltschutz tatsächlich hinten anstehen: Die Cafeteria auf dem landeskirchlichen Campus wird in den nächsten Wochen zum Beispiel Einmalportionen von Butter, Ketchup oder Senf ausgeben – obwohl die Mitarbeiter*innen im Rahmen des Umweltmanagements in den letzten Jahren konsequent auf Selbstbedienung aus größeren Gebinden umgestellt hatten.

In anderen Bereichen bekommt umweltfreundliches Verhalten aber im Moment vielleicht sogar einen gewaltigen Schub: Zumindest in den größeren Städten ist der Fahrradverkehr massiv angestiegen – die Leute meiden die öffentlichen Verkehrsmittel, sehen aber offenbar nicht im PKW, sondern im Fahrrad die Alternative. Meist ist das in der Stadt auch tatsächlich die schnellste Art der Fortbewegung.

Was kann aus der Corona-Krise gelernt werden, das auch beim Klimaschutz hilfreich ist?

Schürger: Dass wir es schaffen, unseren Alltag schnell und radikal zu verändern, wenn wir die Notwendigkeit dazu erkannt haben. Ich fand das sehr beeindruckend, wie verantwortlich der Großteil unserer Bevölkerung gehandelt hat – im Vergleich zu Spanien oder Frankreich hatten wir ja in all der Zeit enorme Freiheiten, aber kaum jemand hat sie missbraucht.

Was erwarten Sie jetzt von der Politik im Hinblick auf den Klimaschutz?

Schürger: Dass Politikerinnen und Politiker auch in der Klimakrise auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hören – und die Maßnahmen, die diese seit Jahren als absolut drängend bezeichnen, genauso beherzt umsetzen wie die Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise.

Was kann jeder Einzelne jetzt trotz Corona für den Klimaschutz tun?

Schürger: Natürlich alles, was vor Corona auch schon möglich war: Energie sparen, bewusst einkaufen - vorzugsweise bio, saisonal und regional - klimaschonende Verkehrsmittel nutzen. Und dann sind viele ja nicht trotz, sondern wegen Corona darüber ins Nachdenken gekommen, was wirklich wichtig ist im Leben.

Der ein oder andere Einkauf oder der Kurzurlaub gehören da nicht mehr dazu – auch das ist gut fürs Klima.

Mancher hat vielleicht auch die Zeit genutzt, um Pläne wieder aufzugreifen, die schon lange im Hinterkopf geschlummert haben: die Heizung zu erneuern oder das Haus energetisch zu sanieren. Nur zu: das ist gelebter Klimaschutz und hilft beim Wiederanfahren der Wirtschaft!

 

Zur Person: Wolfgang Schürger ist evangelischer Pfarrer. Der Nürnberger Theologe setzt sich seit Jahren für den Klimaschutz ein. Im Jahr 2018 wurde er mit der Bayerischen Staatsmedaille für besondere Verdienste um die Umwelt ausgezeichnet.