Dieser Film ist ein Fest für alle, die in den 80er- und 90er-Jahren groß geworden sind. Mit dem Van-Halen-Kracher "Jump" aus dem Jahr 1984 und "Video killed the radio star" (1980) setzt der neue Spielberg-Science-Fiction "Ready Player One" gleich zu Beginn den Sound für ein wildes Feuerwerk unzähliger Anspielungen, Zitate und Verweise – bis in die Details der Ausstattung.
Wir befinden uns in einer düsteren Zukunft des Jahres 2045, aber mit dabei sind auch "Der Herr der Ringe", "Zurück in die Zukunft" und eine Menge "Shining": ein spektakulärer und so noch nie auf der Leinwand zu sehender Ausflug eines Films in einen anderen hinein. Allein die Minuten, in denen es die Helden von "Ready Player One" in - und das ist wörtlich zu verstehen - das im Computer wiederauferstandene Stanley-Kubrick-Meisterwerk verschlägt, lohnen den Kinobesuch. Dazu gibt es Zitate aus "Superman", "Tomb Raider", "Transformers", "Godzilla", "Jurassic Park", aus Comics, Filmen, Fernsehsendungen, Werbeslogans aus den 80ern und und und. Man könnte sich diese filmische Version eines Wimmelbuchs Bild für Bild ansehen. Und würde dann - vorausgesetzt, man bringt das nötige popkulturelle Wissen mit - mit unzähligen "Easter Eggs" belohnt.
Die Suche nach dem heiligen Osterei
Womit man exakt bei all dem wäre, um das der neue Film des Hollywood-Altmeisters Steven Spielberg kreist. "Ostereier", so heißen in der Welt der Computerspiele und computerverrückten "Nerds" kleine versteckte Überraschungen im Programm-Code, Scherze, Abkürzungen oder Sonder-Levels, die nirgends dokumentiert sind. Zur Entdeckerlust kommt die größte Freude aller Nerds: etwas zu wissen, was nur wenige andere wissen.
"Ready Player One", neu im Kino in der Woche nach Ostern, steckt nicht nur voller "Easter Eggs". Auf ein "Easter Egg" läuft auch seine Geschichte zu. Und zugleich ist es seine moralische Botschaft. Nämlich: dass im Spiel selbst und vor allem im Staunen sich Sinn und Menschlichkeit verbergen. Und dass beides von Verzweckung und Vermarktung akut bedroht ist.
Ein Zitat ist ein Zitat des Zitats
Spielberg, inzwischen 71, setzt mit der ersten Computerspiel-Generation in gewisser Weise auch sich selbst ein Denkmal. Denn zum einen ist Steven Spielberg selbst ein "Nerd": Seine Karriere vom legasthenischen Schüler mit fotografischer Spezialbegabung zum Hollywood-Regie-Weltstar spiegelte sich schon bisher immer wieder in seinen Filmen. Horror, Action und zitatfreudiger Humor waren dabei sein Markenzeichen. Mit "Der weiße Hai" (1975), "E.T." (1982), "Jurassic Park" (1993) oder der "Indiana Jones"-Reihe (1981-2008) hat Spielberg Filmgeschichte geschrieben.
"Ready Player One" ist nun die Verfilmung des gleichnamigen Bestseller-Romans des US-Amerikaners Ernest Cline, ein Nerd, der in den 80er-Jahren mit Spielberg-Filmen aufgewachsen ist. Cline inszenierte die Veröffentlichung seines Buchs 2010 mit einer Reihe von Videospielwettbewerben – gewissermaßen analog zum Inhalt des Romans. Zu gewinnen gab es ein Auto mit popkulturellem Ikonenstatus: einen 1981er DeLorean, der (wie jeder Nerd weiß) in Steven Spielbergs Film "Zurück in die Zukunft" als Zeitreisemobil eine Hauptrolle spielt. Nun taucht der DeLorean als Zitat eines Zitats in Spielbergs neuem Film wieder auf: als computergeneriertes Fahrzeug in der virtuellen Spielwelt OASIS.
Matrix reloaded
OASIS, so heißt das gigantische Pixel-Parallel-Universum, in dem im Jahr 2045 die meisten Menschen fast all ihre Zeit verbringen – die Bildschirmbrille vor den Augen und in Interaktionsanzüge gepackt. Denn die "wahre" Welt ist schwer zu ertragen. Vor den Realitäten Überbevölkerung, Klimakatastrophe, Umweltzerstörung und Wirtschaftskrise flüchten sich die Menschen lieber in OASIS.
Hier beginnt die Gralssuche des Durchschnittsjugendlichen Wade Owen Watts (Tye Sheridan). Im realen Leben fristet er in einer Armensiedlung sein Dasein, in OASIS ist er als talentierter "Parzival" unterwegs. James Donovan Halliday (Mark Rylance) ist der Gründer und Erfinder von OASIS. Er ist schon lange tot, aber mit seinem Avatar, seinem digitalen Abbild, noch in der virtuellen Welt unterwegs. Er hat ein Vermächtnis hinterlassen: Wer alle seine Ostereier findet, soll sein Nachfolger, Erbe eines Milliardenvermögens und alleiniger Besitzer des Unternehmens von OASIS werden. Trotz eines finsteren Gegners in der Konzernzentrale – viel Fantasie braucht es nicht, um sich auszumalen, wie die Sache ausgeht.
Austausch der Eigentümer statt Sozialisierung
Und auch nicht, um die dystopische Geschichte als einen aktuellen medienkritischen Kommentar zu lesen. Zum Beispiel auf Mark Zuckerbergs ins Gerede geratene globale Datenkrake Facebook. Wie in OASIS verbringen sehr viele Menschen sehr viel Zeit auf Facebook und in anderen sozialen Medien. Über die Folgen für die Demokratie und das gesellschaftliche Klima wurde schon vor dem jüngsten Datenskandal diskutiert. Facebook ist nicht Science-Fiction; sondern ein sehr reales Beispiel dafür, dass auch digitale, virtuelle Räume öffentliche Räume sind, dass aber allerlei Unheil geschieht, wenn sich diese öffentlichen Räume zum Zweck der Gewinnerzielung in privaten Händen befinden.
Darum geht es auch in "Ready Player One". Der Gral, den der Nerd-Parzival im Film findet, ist die Freundschaft und die Liebe – und zwar im "echten Leben". Aber mit seinem romantischen Lösungsangebot des "verantwortlichen Gewinners", der am Ende dann doch wieder Privatbesitzer des digitalen öffentlichen Raums sein wird, verschenkt der Film viel von seinem medienkritischen, ja revolutionären Potenzial.
Denn wie wäre es, wenn die Lösung nicht der Austausch der Eigentümer wäre? Sondern die Vergesellschaftung?
"Ready Player One", USA, 2018. Ab 5. April im Kino, FSK: ab 12 Jahren