Ein Papier, zwei Positionen: Mit einer Stellungnahme und einem Minderheitenvotum hat sich der Bayerische Ethikrat in die Debatte um die Neuregelung des assistierten Suizids eingeschaltet. In seiner Stellungnahme empfiehlt das Gremium laut Mitteilung vom Mittwoch einen gesetzlich geregelten Beratungsprozess mit "größtmöglicher Transparenz".

Minderheit lehnt Beratung ab

Nur Sterbewillige, die die einzelnen Stufen dieses Verfahrens durchlaufen hätten, könnten am Ende ein Präparat erhalten, das ihr Leben beende. Eine Minderheit des Ethikrats lehnt einen solchen Beratungsprozess in einem Sondervotum als Beitrag zur "Institutionalisierung von Angeboten der Assistenz zum Suizid" ab.

Der Bayerische Ethikrat hat 18 Mitglieder. Das Sondervotum wurde von vier Mitgliedern unterzeichnet, darunter die Ethikratsvorsitzende Susanne Breit-Keßler. Die aktuelle Debatte zur Neuregelung des assistierten Suizids geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 zurück. Darin hatten die Richter ein prinzipielles Recht auf selbstbestimmtes Sterben und assistierten Suizid festgestellt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung des Paragrafen 217 Strafgesetzbuch aufgefordert.

Ethikrat beschreibt mögliches Verfahren

In seiner Stellungnahme beschreibt der Bayerische Ethikrat, wie ein geregeltes Verfahren aussehen könnte: Schwerkranke Menschen mit Sterbewunsch müssten sich von einem Arzt bestätigen lassen, dass ihre Erkrankung unheilbar ist und dass sie über Möglichkeiten der Symptomlinderung sowie der sozialen, seelsorgerlichen und psychischen Begleitung aufgeklärt wurden.

Bestehe der Sterbewunsch nach diesen Gesprächen fort, müssten sich die Betroffenen mithilfe des Beratungsscheins in ein zentrales Register eintragen lassen. Erst dieser Eintrag ermögliche ihnen dann den Kauf eines Präparats, mit dem sie ihr Leben beenden könnten. Die Stellungnahme bezieht sich explizit nur auf Menschen mit unheilbaren Erkrankungen. Andere Konstellationen wie ein "Bilanzsuizid" müssten gesondert betrachtet werden, heißt es in der Mitteilung.

Trauer und Belastung nach Suizid erheblich

Außerdem empfiehlt der Ethikrat der Staatsregierung, Angehörige und Pflegepersonal zu unterstützen. "Die Trauer und die Belastungen nach einem Suizid sind erheblich", heißt es in der Stellungnahme. Das Gremium rät auch, die Gespräche zu dokumentieren und eine zentrale Ombudsstelle einzurichten, die das Verfahren überprüfen könne. Nach Ablauf von fünf Jahren solle "die Praktikabilität der Regelungen" ausgewertet werden.

In ihrem Sondervotum bezeichnen die vier Unterzeichner, zu denen neben der früheren Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler auch Rabbiner Steven Langnas, Weihbischof Anton Losinger und Professor Gerhard Müller gehören, eine strukturelle Suizid-Beihilfe als

"regelhafte Zugangseröffnung, um mithilfe Dritter eigenes Leben zu beenden".

Der assistierte Suizid würde so als "definierte Handlungsoption" normalisiert.

Minderheit befürchtet Verschiebung des Menschenbilds

Besonders kritisieren die Autoren des Minderheitenvotums, dass das Bundesverfassungsgericht das Recht auf assistierten Suizid "für alle Bürgerinnen und Bürger in jedem Alter, in jeder Lebenssituation und mit jedem Motiv" festschreibe. Dadurch sei eine "elementare Verschiebung des Menschenbildes und des sozialen Zusammenhaltes unserer Gesellschaft in prekären Lebenssituationen" zu befürchten.

Die unterschiedlichen Positionen des Gremiums bildeten den "gesellschaftlichen Diskurs ab", der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden sei, erklärte der Ethikrat. Abschließend unterstrich das Gremium einstimmig die generelle Notwendigkeit,

"das Recht auf Selbstbestimmung zu schützen sowie Suizidprävention im Sinne des Lebensschutzes zu fördern".

Die Bayerische Staatsregierung solle sich "zeitnah" mit dem Thema befassen, um nicht "durch politische Untätigkeit der Eigendynamik des Marktes" das Feld zu überlassen.