München (epd). Der zentrale Gedenkakt am kommenden Montag (5. September) in Erinnerung an die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 drohte wegen des Streits um eine Entschädigung zur Farce zu werden - nach der Einigung mit den Hinterbliebenen steht einem würdigen Gedenken aber wohl nichts mehr im Weg. Dass sich Deutschland und die Hinterbliebenen auf eine Entschädigung geeinigt haben, sei eine große Erleichterung, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. So empfinde es auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

In dieser Woche hatten Bundesregierung und Hinterbliebene mitgeteilt, dass man sich auf eine "Gesamtkonzeption anlässlich des 50. Jahrestags" geeinigt habe. Die Hinterbliebenen hatten ihre Teilnahme an dem Gedenken in Fürstenfeldbruck mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zunächst abgesagt, werden nun nach der Einigung aber teilnehmen. Auch der israelische Staatspräsident Izchak Herzog hat inzwischen seine Teilnahme zugesagt.

Gastgeber beim Gedenkakt sind der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU), der bereits seit Mitte der 1990er-Jahre mit Gedenkveranstaltungen am Jahrestag an das Olympia-Attentat erinnert. Teilnehmen sollen neben Bundespräsident Steinmeier unter anderem auch der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, die Präsidentin des Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, und der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle.

Dem Gedenkakt vorausgegangen waren zähe Verhandlungen über Entschädigungszahlungen zwischen Bundesregierung und Hinterbliebenen. Regierungssprecher Hebestreit betonte am Freitag, dass die Einigung neben Entschädigungszahlungen eine weitere Aufarbeitung der damaligen Ereignisse vorsehe. Über Jahre quälende Fragen sollen beantwortet, Lücken in der Aufklärung geschlossen und damit die Grundlage für eine neue lebendige Erinnerungskultur geschaffen werden, sagte er.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte, dass im Zuge der Einigung Anerkennungsleistungen in Höhe von 28 Millionen Euro vereinbart wurden. Davon soll 22,5 Millionen der Bund zahlen, 5 Millionen Euro Bayern und 500.000 Euro die Landeshauptstadt München.

Auch der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle zeigte sich im Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag) erleichtert über die Einigung mit den Hinterbliebenen. Die Bundesrepublik habe die Chance genutzt, eine historische Verantwortung wahrzunehmen. Zugleich warf er den damaligen Verantwortlichen und Sicherheitskräften schwere Versäumnisse vor. Der Umgang mit den Hinterbliebenen sei eine "jahrzehntelange Schande" gewesen: "Es ging um Vertuschen, Verschweigen, Verdrängen."

Bis zur jetzigen Einigung habe man bis wahrscheinlich vor wenigen Stunden "nie auf gleicher Augenhöhe mit den Hinterbliebenen und den Überlebenden gesprochen", kritisierte Spaenle. Stattdessen habe man ein totales Versagen der Sicherheitskräfte von Stadt und Bund und ein klares Staatsversagen verdrängt. Ein schwerer Fehler sei unter anderem gewesen, dass man keine israelischen Spezialkräfte zum Einsatz habe kommen lassen.

Erst 2012 seien Schritte zum Erinnerungs-Denkmal auf dem olympischen Gelände und zur Öffnung der Archive unternommen worden. "Es ist eine Schande für die Bundesrepublik Deutschland und für alle Beteiligten, wie bis vor zehn Jahren damit umgegangen wurde", kritisierte Spaenle. Man habe die Hinterbliebenen aus Israel wie eine ungeliebte Verwandtschaft behandelt: "Denen hat man dann auf der Hintertreppe Schweigegeld bezahlt, und das hat sich einfach fortgesetzt bis vor zehn Jahren."

Am 5. September 1972 hatten palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf in München die israelische Olympia-Mannschaft überfallen und mehrere Geiseln genommen. Die Befreiungsaktion am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck scheiterte. Am Ende kamen elf Israelis, ein bayerischer Polizist und fünf Geiselnehmer ums Leben.