München (epd). Um der Spaltung in der Gesellschaft entgegenzuwirken, müssten Politiker nach Überzeugung des Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Hans-Joachim Heßler, eine andere Streitkultur vorleben. Zu oft entstehe für ihn "ein Eindruck der Unversöhnlichkeit, ja der Abwertung des Gegenübers", sagte Heßler, der auch Präsident des Oberlandesgerichts München ist, am Sonntag in seiner Kanzelrede in der evangelischen Erlöserkirche in Schwabing laut Manuskript. Die Kanzelrede ist eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Tutzing.

Eine gute Streitkultur sollte ein gewisses Maß an Empathie und persönlicher Wertschätzung zur Grundlage haben, ohne die Gegenseite abzuqualifizieren, sagte Heßler weiter. Im Streitgespräch mit gezielt provozierenden Populisten, die keinen Gesprächsregeln folgen, sei das nicht möglich. Die allermeisten Diskussionen spielten sich aber zwischen Politikern ab, die trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung im Kern dieselben essenziellen Werte teilen.

Die Verantwortung für ein "Mehr" an Zusammenhalt könne man aber nicht auf Politiker "delegieren", sagte Heßler weiter. Die Menschen müssten sich auch selbst in die Pflicht nehmen. Als "Heilmittel" für den Kitt in der Gesellschaft sehe er den Dialog. "Reden wir miteinander, statt übereinander", mahnte Heßler. Wenn ein Dialog über gesellschaftliche Bruchlinien hinweg - sei es zwischen Rechts und Links, Alt und Jung, Arm und Reich, Ost und West - nicht mehr stattfindet, drohe das "Gespenst der Spaltung sich zu materialisieren".

Man solle sich aber davor hüten, kontroverse und polarisierende Themen zu meiden, sagte Heßler. Es sei zwar verständlich, dass in einer Zeit des rauer werdenden Tons die Versuchung wachse, bestimmte Themen von Anfang an auszublenden - sei es am Arbeitsplatz oder beim Vereinsabend. Aber: "Reden wir auch und gerade mit Mitmenschen, deren Haltung zu kontroversen Themen unserer Zeit der unseren widerspricht, auch wenn es Überwindung und Energie kostet."

Heßler rief aber auch dazu auf, genau zu schauen, ob bei bestimmten Gesprächspartnern überhaupt noch eine ausreichende Grundlage für einen vernünftigen Dialog bestehe. Uneingeschränkte Dialogbereitschaft mit "echten" Demokratiefeinden sei eine Gefahr. Das gelte vor allem dann, wenn bei einem öffentlichen Dialog - vor allem in den Medien - radikalen Populisten und Extremisten eine Plattform gegeben werde. Hier könne man nicht mehr tun, als radikale Haltungen unmissverständlich abzulehnen.

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