München (epd). Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) will mit dem neuen Pilotprojekt "Aufsuchende Sozialarbeit" sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen vermeiden. Die werden in Deutschland nämlich fällig, wenn Verurteilte eine Geldstrafe nicht bezahlen, teilte das Justizministerium am Mittwoch mit. Für Eisenreich ist die Ersatzhaft keine gute Lösung: "Denn der oder die Betroffene wurde wegen der Tat zu einer Geldstrafe und gerade nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt."

Das Pilotprojekt sieht vor, dass die Gerichtshilfe "in geeigneten Fällen" persönlichen Kontakt mit Verurteilten aufnimmt, denen eine Ersatzfreiheitsstrafe droht. Sie soll die Verurteilten beraten, wie sie ihre Schulden zurückzahlen können. Die Kriterien für einen geeigneten Fall in der Pilotphase sind, "ob die verurteilte Person ihren ein Wohnsitz im Gebiet des Stadt- oder Landkreises München hat" - und dass es sich nicht um Gewalt- oder Sexualstraftäter oder anderweitig gefährliche Personen handelt.

Die Gerichtshilfe führe in der Regel bis zu zwei Hausbesuche durch, hieß es. Bei Zahlungsunfähigkeit soll die Gerichtshilfe Kontakt zu den Vermittlungsstellen der Haftvermeidungsprogramme herstellen. Zu den Programmen gehört das Projekt "Schwitzen statt Sitzen", bei dem Verurteilte gemeinnützige Arbeit leisten können und diese dann angerechnet wird, oder auch das 2018 gestartete Programm "Geldverwaltung", bei dem arme Verurteilte in finanziellen Angelegenheiten beraten werden.

Bei der Justizminister-Frühjahrskonferenz 2016 sei eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt worden, um die Neugestaltung der Ersatzfreiheitsstrafe zu untersuchen. Im 2019 erschienenen Abschlussbericht habe man vorgeschlagen, "dass künftig mit einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr nur ein, sondern zwei Tagessätze abgegolten sind". Eisenreich betonte, dass man das Problem nicht allein strafrechtlich löse. Man wolle den Menschen "gezielt professionelle Hilfe anbieten".

Den Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr durch Haftvermeidungsprogramme 46.000 Hafttage vermieden. Die Maßnahmen sollen einerseits den Betroffenen einen besseren finanziellen Überblick verschaffen und andererseits die Justizvollzugsanstalten entlasten. Das Pilotprojekt "Aufsuchende Sozialarbeit" ist bei der Staatsanwaltschaft München I angesiedelt.