Augsburg (epd). Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ärgert sich nach eigenen Worten über die Prognose, wonach von Rechtsextremisten gesteuerte soziale Unruhen sicher zu erwarten sind. "Dass Staat und Polizei sich darauf einstellen, ist das eine. Wir sollten aber nichts herbeireden", sagte Thierse der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag) und fügte hinzu: "Mich ärgert es, dass bekannte Politiker schon von einem bedrohlichen Herbst reden und damit eine Gefahr größer machen, als sie vielleicht ist."

Thierse sagte, die Stimmung im Lande sei aggressiver geworden, die Spaltungen in den politischen Wahrnehmungen und Meinungen größer, und offensichtlich sei auch am Rande der Gesellschaft die Gewaltbereitschaft gestiegen. "Ob sich das im Herbst noch einmal zuspitzt, das kann ich nicht vorhersagen. Ich will es mir nicht wünschen", sagte der 78-Jährige.

Es gehe nicht nur um ein ostdeutsches Problem, "aber in Ostdeutschland ist die Problematik schärfer", sagte Thierese, der selbst aus Ostdeutschland stammt: "Dort trifft die gegenwärtige Veränderungsdramatik auf Menschen, die bereits in den vergangenen 30 Jahren dramatische Veränderungen zu überstehen hatten." Dort potenzierten sich noch einmal Unsicherheiten und Ängste.

Jetzt kämen die nächsten Veränderungen, schilderte der SPD-Politiker seine Sicht: "Da werden Menschen empfänglich für Leute, die sagen, wir müssen die Grenzen dicht machen, wir dürfen nicht solidarisch sein mit der Ukraine, wenn uns das die Energiepreise verteuert, wir wollen keine Flüchtlinge aufnehmen."