Die Einschulung in Bayern soll zum Schuljahresbeginn 2019/20 flexibler werden. Bei Kindern, die zwischen 1. Juli und 30. September sechs Jahre alt werden, sollen künftig die Eltern entscheiden können, ob sie schon eingeschult werden oder erst ein Jahr später. Diesen "Einschulungskorridor" sieht der Gesetzentwurf des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler) vor. Bisher galt eine starre Stichtagsregelung: Kinder, die bis Ende September sechs wurden, waren schulpflichtig und konnten von ihren Eltern nur auf Antrag für ein Jahr zurückgestellt werden. Über diesen entschied die Schulleitung. Claudia Bischof leitet den evangelischen Kindergarten im Arnulfpark in München. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert die 60-Jährige, wie sie über die flexible Einschulung denkt.
Frau Bischof, was halten Sie davon, dass Kinder leichter ein Jahr später eingeschult werden können?
Claudia Bischof: Ich finde das gut. Bisher hat es schon prima geklappt, wenn Eltern einen Rückstellungsantrag gestellt haben, dass wir gemeinsam überlegt haben, was das Beste für ihr Kind ist. Auch von der neuen Regelung würde ich mir wünschen, dass wir Erzieherinnen und Kindergarten-Leiterinnen mit ins Boot geholt werden. Weniger Bürokratie in Form von Anträgen finde ich wunderbar. Und ich habe nie etwas davon gehalten, ein Kind und seine Reife nur nach dem Geburtsdatum zu beurteilen.
Schon seit einigen Jahren gibt es eine Tendenz, dass Eltern ihre Kinder eher später einschulen. Aktuell läuft in Bayern sogar eine Petition "Stoppt die Früheinschulung". Spüren Sie den Trend auch?
Bischof: In all meiner Zeit als Kindergartenleitung hatte ich nur zwei frühzeitige Einschulungen mit fünf Jahren. Ich hatte deutlich mehr Rückstellungen, allein in diesem Jahr sind es zwei. Das wundert mich nicht. Viele Eltern fürchten, dass der Druck schnell genug anfängt, in der Schule und mit dem beschleunigten Studium. Und seien wir ehrlich - bei vielen jungen Menschen dauert es lange, bis sie sich wirklich beruflich orientiert haben. Kognitiv kommen wohl die allermeisten Kinder auch schon früh in der Schule mit. Aber das Sozial-Emotionale, die Reife, das Selbstwertgefühl, die Frustrationstoleranz, die Frage, was man sich traut: All das stabilisiert sich oft erst im letzten Kindergartenjahr. Ich sage immer, die Kinder sollen lieber überreif in die Schule gehen.
Wenn künftig die meisten Juli-, August- und September-Kinder noch länger im Kindergarten bleiben: Fürchten Sie dann eine Überlastung des Kindergartens?
Bischof: Das glaube ich nicht. Diese Kinder sind auch bisher schon meistens zurückgestellt worden. Und überlastet wird der Kindergarten höchstens dadurch, dass wir zu wenig Personal haben. Bisher strebt die Politik vor allem an, dass die Eltern schnell wieder arbeiten können. Der Fokus sollte viel stärker auf dem Kindeswohl liegen. Wenn der Kindergarten wirklich eine Bildungseinrichtung mit Qualität sein soll, dann bräuchte es einen besseren Personalschlüssel, der Krankheit und Urlaub besser berücksichtigt. Oder eine Entlastung von anderen Aufgaben und Unterstützung der Pädagoginnen, wie etwa im hauswirtschaftlichen Bereich.