Die Berichte über die Geburt der ersten genmanipulierten Babys in China haben eine neue Wertedebatte ausgelöst. Das Bundesforschungsministerium bezeichnete den Vorgang als "eindeutige Grenzüberschreitung". Sollten die aktuell diskutierten Experimente tatsächlich wie behauptet stattgefunden haben, "widersprechen diese den etablierten ethischen Maßstäben für die medizinische Forschung", sagte eine Sprecherin auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. "Sie werden auch von zahlreichen chinesischen Wissenschaftlern sowie der Universität, der der verantwortliche Wissenschaftler angehört, verurteilt", betonte das Ministerium.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte zu den Vorgängen: "Der Mensch soll nicht Gott spielen. So etwas ist mit unseren Werten nicht vereinbar." Dieses "Experiment am menschlichen Erbgut" sei ein Weckruf für Europa, sagte Spahn der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Online). Spahn forderte die Europäer dazu auf, massiv in Forschung und Entwicklung zu investieren. "Nur, wenn Europa selbst Spitze ist, kann es Maßstäbe für die Welt setzen, die unseren Werten entsprechen", erklärte der Minister.

Forscher He verteidigt Experimente mit "Designerbabys"

Medienberichten zufolge hat der chinesische Forscher He Jiankui seine Arbeit auf einem Genomforscher-Kongress in Hongkong inzwischen verteidigt. Wie die Zeitung "South China Morning Post" berichtete, sagte He, eine weitere Frau könne möglicherweise mit einem genmanipulierten Baby schwanger sein. Zugleich habe er sich dafür entschuldigt, mit seiner Forschung eine weltweite Kontroverse ausgelöst zu haben.

Der Forscher hatte erklärt, mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere das Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge sollen vor einigen Wochen auf die Welt gekommen sein. Bislang galten solche Experimente auf dem Weg zum "Designerbaby" als Tabu. Die betroffene Southern University im chinesischen Shenzhen reagierte mit Unverständnis auf die Versuche und kündigte eine genaue Untersuchung an. He sei seit Februar freigestellt, teilte die Universität mit.

Forscherin Amunts warnt vor Folgen der Genom-Editierung

Die Hirnforscherin Katrin Amunts, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats und Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich, erklärte: "Das Genom der beiden Mädchen, die nach Angaben der Forscher mit CRISPR behandelt wurden, wurde durch einen Eingriff in die Keimbahn unter Anwendung einer noch sehr neuen, experimentellen Technik verändert. Offenbar war die Genom-Editierung nur bei einer von ihnen vollständig." Mögliche Folgen dieses Eingriffs für ihre weitere Entwicklung seien schwer absehbar und würden sich möglicherweise erst in vielen Jahren zeigen, sagte Amunts.

Der Wiener evangelische Sozialethiker Ulrich H. J. Körtner stellte grundsätzlich die Frage, "wie die Gesellschaft insgesamt in die komplexe biopolitische und bioethische Debatte eingebunden werden kann". Die gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, wenn das Leben immer mehr als technisches Produkt statt als Gabe verstanden werde, "seien gravierend", erklärte der Theologieprofessor in Wien. Wissenschaftsfreiheit sei ein hohes Gut, aber "sie hat ethische Grenzen".

EKD-Chef Bedford-Strohm warnt vor "Menschenzüchtung"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte vor einem "Einstieg in die Menschenzüchtung". So "drastisch muss man es sagen", erläuterte er am Rande der Herbsttagung der bayerischen Landessynode in Garmisch-Partenkirchen. Es brauche nun dringend eine Debatte um die Grenzen solcher Forschung, sagte der bayerische Landesbischof. Der Ethikexperte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Anton Losinger, forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" für die Biogenetik "ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten".