Was steckt eigentlich hinter Begriffen wie Care-Arbeit, Mental Load oder dem viel zitierten Mutterinstinkt? Wer gleichberechtigt Eltern sein will, sollte diese Konzepte kennen – und verstehen, warum sie im Familienalltag den Unterschied machen.

Die sechs wichtigsten Begriffe rund um moderne Elternschaft sind:

  • Care-Arbeit
  • Mental Load
  • Adultismus
  • Vereinbarkeit
  • Feminismus und Patriarchat
  • Mythos Mutterinstinkt

Und hier erklären wir sie euch im einzelnen:

1. Care-Arbeit

Als Care-Arbeit, oder zu Deutsch Sorgearbeit, werden Pflege-, Erziehungs- und Haushaltsarbeit bezeichnet und im weitesten Sinne alle Tätigkeiten, die mit dem Kümmern um andere Menschen und deren Versorgung zu tun haben. Klassischerweise ist damit die Betreuung der eigenen Kinder oder auch die Pflege Familienangehöriger gemeint, aber auch die Verantwortung für Menschen im Freundeskreis oder der Nachbarschaft bei Krankheit, Behinderung oder Altenpflege gelten als Care-Arbeit. 

Typische Beispiele für Care-Arbeit:

  • die Erledigung von alltäglichen Aufgaben im Haushalt wie Wäsche waschen oder Kochen,
  • das Kümmern um Neugeborene,
  • das Besorgen von Medikamenten und Verwalten von Arztterminen von Kindern, Pflegebedürftigen oder Senioren,
  • die Begleitung von schwer erkrankten oder sterbenden Familienangehörigen,
  • aber auch Organisatorisches wie das Planen eines Familienurlaubs von der Auswahl des Urlaubsortes, Buchung der Unterkunft bis hin zum Packen der Koffer

Care-Arbeit ist häufig von außen schwer in ihrem Ausmaß zu überblicken, erfordert stetiges Mitdenken rund um die Uhr und die Fokussierung auf die Bedürfnisse anderer. Care-Arbeit wird hauptsächlich von Frauen geleistet (2024 leisteten sie 44,3 Prozent mehr Care-Arbeit als Männer, das beschreibt den sogenannten Gender Care Gap) und ist in der Regel unbezahlt. Ihr gegenüber steht die sogenannte Erwerbsarbeit.

Dabei hält sich das Stereotyp, dass Frauen dafür besonders gut geeignet seien, da das Kümmern in ihrer Natur läge und sie darin traditionell ihre Erfüllung fänden (siehe auch 6.). Dass Frauen mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten, während Männer deutlich mehr bezahlt arbeiten, ist ein zentrales Thema der Gleichstellung. Denn in der Konsequenz haben Frauen in Deutschland dadurch weniger freie Zeit und weniger Geld zur Verfügung als Männer – und landen signifikant häufiger in der Altersarmut.

Auch die – von Frauen dominierten – sogenannten Care-Berufe wie der einer Pflegekraft oder Erzieherin sind durchschnittlich schlechter bezahlt als männerdominierte Branchen. All diese Tätigkeiten als Arbeit zu verstehen, ist ein erster, wichtiger Schritt, all diese Leistungen anzuerkennen, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren würde.

2. Mental Load

Mit Mental Load, einem Begriff, dem im Deutschen am ehesten die Formulierung "mentale Belastung" entspricht, ist die gesamte, unsichtbare Denkarbeit gemeint, die hinter der Organisation eines Familienalltags steckt. Auch die Umschreibung "unsichtbarer Stress im Kopf" ist sehr treffend. Mental Load kommt mit der Care-Arbeit und wird ebenfalls größtenteils von Frauen getragen.

Auch hier handelt es sich um Arbeit, die von außen kaum gesehen wird, gleichzeitig aber bis zum Burnout führen kann. Mental Load ist, wenn er nicht geteilt wird, immer da und kann sich keine Fehler erlauben. Es handelt sich dabei nicht nur um ein paar To-do-Listen, sondern um das im Blick behalten und Voraussehen sämtlicher Termine, Bedürfnisse, emotionaler und körperlicher Befindlichkeiten aller Familienmitglieder – teilweise inklusive des Vaters.

Dabei geht es zum Beispiel darum, an Elternabende zu denken, im Kopf zu haben, wann welches Kind zur nächsten regelmäßigen Untersuchung zum Arzt muss, alle aktuellen Kleidergrößen zu kennen und rechtzeitig neue Klamotten zu besorgen. Täglich zu planen, was gekocht wird und dafür alle Zutaten zu Hause zu haben, die Hobbys der Kinder und deren Treffen mit Freunden zu überblicken, oder Geburtstage und Feiertage zu planen. Auch das ständige Erinnern von Familienmitgliedern an deren Termine kommt klassischerweise dazu. 

Sogenannte Mental-Load-Tests können die einzelnen Aufgaben sichtbar machen und zeigen, inwiefern diese fair unter Eltern verteilt sind.

3. Adultismus

Unter Adultismus ist die systematische Benachteiligung von Kindern gemeint – einfach deshalb, weil sie Kinder sind und Erwachsenen die stärkere, mächtigere Position haben. Adultismus ist, wenn die Meinungen und Bedürfnisse von Kindern nicht ernst genommen werden, wenn abwertend über sie gesprochen wird, oder sie gar nicht erst angehört werden.

Typisch ist auch, dass Ideen von Kindern ignoriert werden, weil sie ja noch zu jung seien. Adultismus ist oft die erste Form von Diskriminierung, die Menschen erleben. Kinder lernen hier früh, dass die Abwertung und Unterdrückung anderer in Ordnung ist.

4. Vereinbarkeit

Der Begriff Vereinbarkeit taucht häufig in Kombination mit Beruf und Familie auf und meint tatsächlich das unter einen Hut bringen von Job, Familie, Haushalt, Partnerschaft und eigenen Bedürfnissen wie Sport oder Hobbys. Dahinter steht meist ein Ideal und die Illusion, wer sich nur genug anstrenge, könne in allen Bereichen erfolgreich sein.

Tatsächlich ist Vereinbarkeit größtenteils eine Frage von Privilegien und Geld. Kann ich mir im Zweifelsfall eine Haushaltshilfe leisten, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten, habe ich das Geld für ausreichend Kinderbetreuung, kann ich den Babysitter bezahlen, um abends als Eltern gemeinsame Zeit in einem Restaurant (Geld!) verbringen zu können? Gelingt eine gleichberechtigte Partnerschaft, in der die Care-Arbeit so fair aufgeteilt ist, dass nicht nur der Vater Zeit hat, ins Fitnessstudio zu gehen, sondern auch die Mutter? Ist der Mann im Zweifelsfall bereit, ein paar Jahre in Teilzeit zu arbeiten, damit die Frau die erwünschte Führungsposition anstreben kann und trotzdem noch Zeit für Kinder und Haushalt übrig bleibt? 

5. Feminismus und Patriarchat

Der Begriff Feminismus ist belastet und vielerorts negativ konnotiert, meint aber in seinem ursprünglichen Sinne die Gleichbehandlung von Mann und Frau, wie sie auch im Grundgesetz festgeschrieben ist. Und da Frauen über Jahrhunderte, oder eher Jahrtausende eben nicht die gleichen Rechte in Gesellschaft, Politik, Familie und Arbeitswelt hatten, ist unter Feminismus auch im Jahr 2025 noch die Bemühung zu verstehen, die Diskriminierung von Frauen zu beenden. Eine Diskriminierung, die Frauen verstärkt erleben, wenn sie Mutter werden und die besagte Care-Arbeit inklusive Mental Load steigen. Spätestens dann geht die Gehaltsschere auf – noch zehn Jahre nach der Geburt ihres Kindes verdienen Mütter durchschnittlich 61 Prozent weniger als ein Jahr vor der Geburt.

Dass Frauen und Männer auch in Deutschland noch längst nicht gleichberechtigt sind, belegen zahlreiche Studien. Auch die Journalistin Alexandra Zykunov hat zu diesem Thema geforscht und ein Buch mit dem Titel "Wir sind doch längst alle gleichberechtigt" veröffentlicht, das insbesondere für Eltern absolut augenöffnend ist.

In einem Interview sagte Zykunov über zu den Themen Feminismus und Patriarchat: "Wenn wir heute vom Patriarchat sprechen, meinen wir damit, dass unser ganzes Denken und Handeln seit Jahrtausenden von Männern bestimmt, für richtig befunden, in Gesetzestexten zementiert und dokumentiert wurde. Das hat sich bis in die heutige Zeit tradiert und wurde mit Gewalt durchgesetzt. Frauen und viele andere diskriminierte Minderheiten haben da wenig zu sagen. Auch heute noch sitzen vorwiegend Männer an den Entscheidungstischen und es sind vorwiegend Männer, die Gesetze vorwiegend für die Interessen anderer Männer machen.  Alles, was wir heute beobachten und beurteilen, wird immer an dem männlichen Blick orientiert."

6. Mythos Mutterinstinkt

Der sogenannte Mutterinstinkt, der besagen soll, dass Frauen als einzige intuitiv, ja von Natur aus wüssten, was Babys (und später auch Kinder) brauchen, ist ein Mythos. Das ist inzwischen wissenschaftlich von der Hirnforschung belegt, es gibt sogar ein ganzes Buch mit dem Titel. Es stimmt nicht, dass die biologische Mutter nach Gefühl alles richtig macht, alles am besten weiß.

Ja, es ist richtig, dass sich das Gehirn von Frauen in der Schwangerschaft massiv verändert und umgebaut wird. Doch dadurch entsteht erstens nicht zwingend ein entsprechender Instinkt (zu viele unberechenbare Einflüsse von außen spielen dabei eine Rolle) und zweitens ist es so, dass sich auch das Gehirn der Väter oder anderer Bezugspersonen verändern kann. Der Unterschied ist, dass dies nicht automatisch passiert, sondern erst nach der Geburt und nur dann, wenn diese Person genug Zeit mit dem Kind verbringt und eine emotionale Bindung durch Nähe und Beziehung entsteht.

Diese Erkenntnis ist insofern relevant, als aus dem Mutterinstinkt häufig abgeleitet wird, dass Frauen besser, oder alleinig für das Kümmern um ihre Kinder und Familie (Stichwort unbezahlte Care-Arbeit) geeignet seien. Dass Vätern genau so viel zuzutrauen ist und auch zugetraut werden sollte, ist entscheidend. Das fängt bei der Verteilung der Elternzeit an und geht über in die Aufteilung von Care-Arbeit, Mental Load und Erwerbsarbeitszeit. 

Kommentare

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Florian Meier am Mo, 19.05.2025 - 23:27 Link

Irgendwie traurig wie sehr Familie hier im Grunde problematisiert wird: Mit komischem Denglish wie Sorgearbeit, Mental Load usw., wo man einfach mit Erziehung, Pflege und Hausarbeit, seelischer Belastung und sonstigen altbackenen Begriffen auskäme. Ja, Familie ist nicht nur Spaß, aber hier klingt es ja so, als sei klassische Familie der Ursprung aller möglicher Übel und vor allem eine Diagnose? Das geht dann doch etwas weit. Ja unsere Großmütter litten z. T. erheblich an schlechteren Bildungsmöglichkeiten und sehr eingeschränkter Selbstverwirklichung, aber sie haben z. T. doch einiges daraus gemacht und ganz so geknechtet waren sie keineswegs. Umgekehrt waren auch die Großväter keineswegs besonders privilegiert wie gerne suggeriert wird: Die meisten wurden an die Front eingezogen und kamen recht demoliert zurück. Aber in der Familie wurde doch viel gelacht, gewerkelt und geschafft. Wenn sich Menschen nach 60 Ehejahren noch verliebt ansehen, so ist das nicht nur eine Leistung sondern auch eine Freude und bewundernswert. Heute funktioniert Familie freilich ganz anders als vor 100 Jahren, was aber stärker an der veränderten Arbeitswelt und Verhütungsmitteln als an der Menschheitsverbesserung liegt. Aber auch heute gibt es bewundernswerte Eltern und aufgeweckte kluge Kinder.