Die Demokratie zu schützen und zu stärken, gehört zu den dringlichsten Aufgaben unserer Zeit. Im zeitlichen Kontext der drei ostdeutschen Landtagswahlen hat sich die evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf) deshalb ganz bewusst auf ihrer diesjährigen Fachtagung mit der Frage auseinandergesetzt, wie Familien als Raum, in dem Demokratie erlernt wird, gestärkt werden können.
Es reicht nicht aus, "die Demokratie" institutionell zu denken. Demokratie kann nicht nur im Unterricht in Form von Strukturen, Institutionen und Gewaltenteilung gelernt werden – sondern wird auch erlebt am Küchentisch oder bei der Freizeitplanung.
Kinder sehen und erleben hier Rollenbilder und ob sie ernst genommen werden in ihren Bedürfnissen und Meinungen.
Familien sind damit der erste Ort politischer Sozialisation.
Demokratie lernen in Familien
Dabei geht es nicht nur um Familien mit jüngeren Kindern. Das Zusammenleben in der Familie kann politische Einstellungen von Jugendlichen beeinflussen.
Aktuelle Jugendstudien zeigen: Fast ein Viertel aller jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren fühlt sich einsam, 61 % der jungen Menschen in Deutschland fühlen sich von der Politik vernachlässigt und haben das Gefühl, nichts ändern zu können. Im OECD-Vergleich landete Deutschland damit auf dem letzten Platz.
Die Konsequenz dieser kollektiven Einsamkeitserfahrung hat sich bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen gezeigt: Junge Menschen wählen die AfD aus Überzeugung und aus Protest. Es ist ein systemisches NEIN, um Gehör zu finden.
Jungen Menschen Gehör schenken
Denn während und nach der Corona-Pandemie wurde in Deutschland leider nicht viel dafür getan, die Wahrnehmung der Jugendlichen, ihre Interessen wären nicht wichtig, zu ändern. Das Elternunabhängige BAföG ist vom Tisch, die Kindergrundsicherung ist den Namen nicht mehr wert und 5G sucht man in Großstädten z. T. genauso vergeblich wie im ländlichen Raum.
Wenn Demokratie die einzige Staatsform ist, die man lernen muss (Soziologe und Philosoph Oskar Negt, 2004), wie und wo erlebt und erlernt man bewusst oder unbewusst Demokratie?
Wo sind die Räume, in denen Familien (gute) Demokratieerfahrungen machen können? In denen Eltern Selbstwirksamkeit erfahren, die sie wiederum an ihre Kinder weitergeben?
Räume für gute Demokratieerfahrung
Als ein Raum ist unbedingt die Familienbildung zu nennen. Angebote der Familienbildung sind per se demokratische Räume, in denen Angebot zur Beteiligung wie Mitgestaltung ausgesprochen werden.
Die eaf fordert deshalb, Familienbildung als Adressat für das geplante Demokratiefördergesetz ausdrücklich zu benennen.
Eine große Herausforderung ist zudem der Umgang mit den digitalen Medien. Tageszeitung und Tagesschau, selbst Facebook ist von gestern, junge Menschen informieren sich anders als ihre Eltern- oder Großelterngeneration. Die neue Generation ist bei weitem nicht unpolitisch – sie informieren sich aber auf Plattformen, die keinen demokratischen, staatlichen Regeln unterworfen sind.
Es ist an uns, darauf zu achten, dass sie inhaltlich wie technisch gerüstet sind, sich ihre eigene Meinung dort zu bilden. Die eaf setzt sich für den Ausbau von Medienbildung aller Altersgruppen (Eltern, Kindern, Senior:innen) als unverzichtbarer Teil politischer Bildung ein.
Auftrag der Kirche
Und nicht zuletzt bleibt der Auftrag der Kirche als Raum für Demokratieerfahrung: Die eaf empfiehlt deutlich mehr generationsübergreifende Formate für Familien zu schaffen, um geeignete Anknüpfungspunkte für junge Erwachsene zu bieten.
Das Angebot des Austauschs und der Begleitung, des Streits bis zur Kompromissfindung ist eine dauerhafte Aufgabe, nur so bleibt unsere demokratische Gesellschaft handlungsfähig. Kirche als Gemeinde und in Einbettung in den Sozialraum hat hier eine Verantwortung.
Ohne Familien geht’s nicht: Dort wachsen die Demokrat:innen von morgen auf. Für einen familienpolitischen Verband ist es deshalb folgerichtiger Auftrag, für gute Rahmenbedingungen in den Familien und um die Familien herum einzutreten – in Politik und Kirche.
Schlusserklärung der eaf
Auf ihrer Mitgliederversammlung am 13. September haben die Mitglieder der eaf in einer Schlusserklärung Ziele für das weitere Engagement des Verbandes für die Demokratie definiert.
"Die Demokrat:innen von morgen brauchen heute Eltern, die Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen haben," betont Svenja Kraus, Bundesgeschäftsführerin der eaf. "Ich freue mich, dass die Mitglieder der eaf unseren Einsatz für Demokratie mit ganz konkreten Aufträgen an unsere weitere Arbeit als Familienverband untermauern."
Als familienpolitischer Dachverband in der EKD steht die eaf für eine nachhaltige Familienpolitik ein, in der Familien in ihren Bedarfen und Bedürfnissen gesehen, unterstützt und gestärkt werden. Dazu gehören der Schutz vor Armut und sozialem Abstieg, qualitativ hochwertige Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie zeitpolitische Maßnahmen, die Familien in ihrem herausfordernden Alltag besser unterstützen. Auch die explizite Beteiligung von Familien an demokratischen Prozessen stärkt das Vertrauen aller Familienmitglieder in die Demokratie und ihre Institutionen.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden
Ich finde Kinder sollten vor…
Ich finde Kinder sollten vor allem das Recht haben einfach Kinder zu sein und von der großen Politik in Ruhe gelassen zu werden. Natürlich ist es essentiel friedliche Konfliktlösung und Komprommiss früh zu erlernen, aber ehe Kinder in den ganzen Wahnsinn des Lebensernstes geworfen werden sollen sie vor allem geliebt werden und sich kreativ langweilen. Die Weltenrettung Familien und Kindern aufzubürden geht zu weit. Dafür sind die Großen und Mächtigen da.