Ellen Kuhröber wurde vor gut zwölf Jahren Großmutter, aber sie hat ihre Enkeltochter nie gesehen. Seit der Geburt des Mädchens kämpft die Tagesmutter aus dem Landkreis Osnabrück dafür, eine Beziehung zu dem Mädchen aufzubauen, Oma sein zu dürfen. Vor rund fünf Jahren gründete sie eine Selbsthilfegruppe für weitere betroffene Großeltern. Kuhröber, die in einem farbenfrohen Hemd auf ihrem Sofa in ihrem Wohnzimmer sitzt, schildert ihre Geschichte, die sie auch in einem Buch festgehalten hat. "Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen", sagt sie.

Noch während der Schwangerschaft sei die Beziehung zwischen ihrem Sohn und der werdenden Mutter auseinandergegangen. "Ich wollte die Frau unterstützen, die sichtlich allein und verzweifelt war und habe sie auch zu Ärzten begleitet." Ein einziges Mal habe sie ihr Enkelkind daher auch im Ultraschallbild sehen können.

Kuhröber zählt zu etwa 20 Millionen Großeltern, die laut Schätzungen in Deutschland leben. Fast 50 Prozent der Menschen zwischen 46 und 90 Jahren hätten mindestens ein Enkelkind, sagt der Mitbegründer des kommerziellen Internetportals grosseltern.de, Andreas Reidl. Aber bei etwa zehn Prozent funktioniere die Beziehung zwischen Großeltern und Eltern nicht, der Kontakt werde oft sogar verboten. "Das ist ein riesiges Problem für die Betroffenen."

Geschenke übers Jugendamt

Im Fall von Kuhröber habe die Mutter nach der Geburt angegeben, den Vater des Kindes nicht zu kennen und sich nicht um das Kind kümmern zu können, so berichtet Ellen Kuhröber es. Das Baby kam in eine Pflegefamilie.

Die Großmutter erzählt, sie packe jedes Jahr Geschenke und Briefe zu Weihnachten, zu Ostern, zum Geburtstag, die sie über das Jugendamt zustellen lasse. Nie habe sie eine Antwort erhalten. "Wir Großeltern sind einfach nicht im Fokus, sondern wir sind das fünfte Rad am Wagen. Wenn wir gebraucht werden, ist alles gut, aber wenn wir nicht gebraucht werden, kriegen wir nur Tritte", sagt sie sichtlich aufgebracht.

Ähnliche Gefühle kennt auch Jana Kowalski, deren mittlerweile sechsjähriger Enkelsohn im vergangenen Sommer vom Kindergarten aus in die Obhut des Jugendamtes kam. Danach habe sie ihn erst wieder Weihnachten zweimal für eine Stunde sehen dürfen, erzählt die 60-jährige Erzieherin. Der Junge sei in ein Heim gekommen.

"Als Großeltern hat man keine Rechte."

Er habe den gleichen Kindergarten besucht, in dem sie arbeitete, habe teilweise bei ihr gelebt und sei auch sonst täglich bei ihr gewesen. Auch Kowalskis Geschichte ist geprägt von Konflikten der Eltern untereinander und zahlreichen Gesprächen mit dem Jugendamt und Terminen vor Gericht. Ihr Fazit: "Als Großeltern hat man keine Rechte."

Die Stadt Bad Oeynhausen, zu der das zuständige Jugendamt gehört, erklärt auf epd-Anfrage, dass sie keine personenbezogenen Auskünfte zu dem Fall machen könne.

Kowalski zeigt stolz Fotos von ihrem Enkel, einem strahlenden Jungen mit blonden kurzen Haaren in den Armen seines Vaters im Sommer. Der Junge habe mit ihr Pilze im Wald gesammelt, Gemüse geerntet, Fußball gespielt, gebastelt, erzählt die Großmutter. Selbst in den Urlaub seien sie mit ihm gefahren.

Es ist laut Reidl eine wichtige Rolle, die Großeltern im Leben und Aufwachsen ihrer Enkel übernehmen. Statistiken zeigten, dass sich in Deutschland jede zweite Oma und jeder zweite Opa jede Woche aktiv um die Enkelkinder kümmere. "Da geht es um Milliarden von Sozialstunden, die geleistet werden." Omas und Opas könnten vor allem ihre Lebenserfahrung weitergeben, etwa bei der Gartenarbeit oder beim Basteln oder auch aus ihrer Biografie erzählen. "Es gibt viel Wissen, das verloren geht, weil Eltern das mit ihren Kindern nicht mehr machen."

Im Zuge einer Mediation eine vernünftige Lösung finden

Kowalski sagt, sie habe den Gedanken gleich beiseitegeschoben, auf ein Sorge- und Umgangsrecht zu klagen. Die Chancen seien zu gering. Auf dem Internetportal gebe es viele Anfragen zu den rechtlichen Möglichkeiten, sagt Reidl: "Wir warnen immer davor, die juristischen Schritte zu gehen." Vielmehr sollten die Beteiligten versuchen, im Zuge einer Mediation miteinander zu sprechen und eine vernünftige Lösung zu finden.

Ellen Kuhröber will mit der Selbsthilfegruppe versuchen, anderen Großeltern zu helfen. "Wenn wir uns einmal im Monat treffen, ist sehr viel Leid dabei, es fließen viele Tränen und es geht an die Psyche", sagt sie. Etwa 30 Betroffenen hat Kuhröber einzeln begleitet, wie sie sagt. Einige hätten durch Mediation wieder zu ihren Enkeln gefunden. Kuhröber sagt: "Ich hoffe einfach nach zwölf Jahren auf ein gutes Ende für meine Enkeltochter und mich."

Für Jana Kowalski sieht es nach langem Hin und Her danach aus, dass sie ihren Enkel bald wieder regelmäßig sehen kann: Noch sei er im Heim, erzählt sie, aber es habe im Juni ein Gerichtsurteil gegeben, wonach er zurück zu seiner Mutter dürfe und künftig auch einige Tage in der Woche bei seinem Vater - Kowalskis Sohn - sei. Dann könne auch sie ihren Enkel wieder öfter treffen, hofft die Oma - vielleicht rechtzeitig zum Gemüseernten oder Pilzesammeln.

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