Was wünschen sich Singles von der Kirche? Das hat die Diplom-Theologin Birte Bernhardt vom Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie der Universität Wien interessiert. Sie hat 21 Interviews geführt für ihre Dissertation mit dem Titel "Singles und die evangelische Kirche - Eine empirisch-theologische Untersuchung".
Sie haben 21 Interviews geführt mit kinderlosen Evangelischen in Deutschland und Österreich. Was hat Sie bei den Antworten am meisten überrascht?
Bernhardt: Die befragten Singles haben zwar einerseits viele äußere Merkmale geteilt – wie die Zugehörigkeit zur Altersgruppe zwischen 30 und 60 Jahren, das Leben ohne Partnerschaft und Kinder und das Evangelisch-Sein, zum Teil auch soziale Faktoren. Dennoch zeigten sich sehr unterschiedliche Erwartungen an die Kirche. So wünschten sich manche ausdrücklich, dass Angebote für sie gemacht werden, während andere wiederum nicht "betreut" werden wollten.
Muss Kirche den verschiedenen Single-Gruppierungen mehr Beachtung schenken?
Bernhardt: Ich denke, dass es gut ist, wenn in Kirchen und Gemeinden vor Ort generell ein Bewusstsein für die Vielfalt von Menschen, Milieus und Interessen vorherrscht. Nur weil Menschen derzeit bestimmte Angebote, wie den Sonntagsgottesdienst oder Gruppenangebote am Nachmittag nicht wahrnehmen, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt.
Woran mangelt es in Gemeinden in Sachen Angebote für Singles?
Bernhardt: Die Arbeit mit 30- bis 60-Jährigen hat sich an vielen Orten lange darauf konzentriert, Eltern von Kindern zu erreichen, zum Beispiel über Kindergärten, Kindergottesdienste und ähnliche Angebote. Mit der Trauung und vor allem der Taufe von Kindern ergibt sich in dieser Altersgruppe ein Kontakt, der vielleicht zuvor überhaupt nicht da gewesen ist, weil viele Menschen als junge Erwachsene ihre Heimatgemeinden verlassen haben. Viele Gemeinden haben ihren Blick aber bereits geweitet und achten darauf, in dieser Altersgruppe Menschen nicht mehr nur über ihre gegebenenfalls vorhandenen Kinder anzusprechen.
Was wünschen sich Singles an Weihnachten von ihrer Ortsgemeinde?
Bernhardt: Hier kommt es stark darauf an, ob und wie Singles in ihre Herkunftsfamilien eingebunden sind. Generell ist Weihnachten – nicht nur in unseren Kirchen – vor allem ein Familienfest. Es gibt eine Menge Idealbilder: Da steht ein Baum, unter dem (eher jüngere) Kinder Geschenke auspacken, anschließend gibt es ein festliches Essen. Ich denke, dass es uns guttut, die Botschaft des Weihnachtsfests wieder in den Mittelpunkt zu rücken: Gott ist Mensch geworden! Für alle Menschen, nicht nur für diejenigen, die selbst Kinder haben. In den Gottesdiensten an Heiligabend und den Weihnachtstagen ist das gut möglich.
Gemeinden sollten Fürbitten sorgfältig formulieren: Menschen, die an diesem Abend alleine sind, sind vermutlich auch in der Gottesdienstgemeinde zu finden. Für "die Einsamen" zu beten, als seien sie nicht anwesend, schließt sie implizit aus der Gemeinde aus.
An manchen Orten gibt es "Feiern für Einsame" oder "Alleinstehenden-Weihnachtsfeiern". Das sind oft sehr schöne, liebevoll gestaltete Veranstaltungen, die manche Menschen gern besuchen. Sie passen aber nicht immer, da es nicht allen Menschen leichtfällt, Adressatinnen und Adressaten diakonischer Angebote zu sein.
Im Übrigen kann es sehr schön sein, den Abend für sich zu verbringen, wie ich in meiner Untersuchung mehrfach gehört habe. Für sich bewusst etwas Gutes zu tun, vielleicht an einen besonderen Ort zu fahren, die Christmette zu besuchen, sich Zeit zu nehmen für die frohe Botschaft, das erleben einige als sehr gelungenes Weihnachtsfest.
Wie kann Kirche Singles besser für das Ehrenamt gewinnen?
Bernhardt: Generell gilt, auch für Singles: Menschen engagieren sich gerne, wenn sie den zeitlichen und sonstigen Aufwand gut überschauen können und ein Projekt als sinnvoll empfinden. Singles in der Altersgruppe 30 bis 60 sind häufig Vollzeit berufstätig und haben tendenziell andere Freizeitinteressen und Tagesrhythmen als gleichaltrige Paare und Eltern. Dies sind Faktoren, die in der Planung Berücksichtigung finden sollten.
Was nehmen Sie persönlich mit von Ihrer Untersuchung?
Bernhardt: Ich habe mein Vikariat gerade erst begonnen – ich muss also gar nichts verändern, sondern darf direkt mit meinem geschärften Blick starten. Mir ist vor allem wichtig, mit Menschen selbst im Gespräch zu sein anstatt aufgrund von einigen wenigen Rahmendaten Schlüsse über sie, ihre Lebenssituation und ihre Interessen zu ziehen.
Birte Bernhardt
Birte Bernhardt studierte Theologie in Wuppertal, Bochum, Oslo und Heidelberg. Sie hat für einige Jahre in Wien gelebt und gearbeitet. Für das Vikariat ist sie in ihre Herkunftsregion zurückgekehrt und arbeitet nun in der Kirchengemeinde Ratingen im Düsseldorfer Süden.