"Wenn du noch eine Oma hast, so danke Gott – und spann sie ein!" Mit diesem augenzwinkernden Satz empfing mich meine Mutter vor vielen Jahren an ihrer Wohnungstür. Ich wollte unseren Kindern für ein paar Stunden ihre Omi gönnen – und mir damit einen freien Nachmittag. Silke Stattaus, Mutter von vier erwachsenen Söhnen, Schwiegermutter von drei Schwiegertöchtern und Großmutter von vier Enkeln. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Frühstücks-Treffen für Frauen in Deutschland", der jährlich zu rund 350 Veranstaltungen an über 160 Orten einlädt.

Nach dieser Bemerkung überlegte ich allerdings, ob sie so eine Enkel-Zeit überhaupt will? Meine Mutter stand damals noch mitten im Leben und hatte viel zu tun! Aber ich dachte: Sie ist ja schließlich auch die Großmutter unserer Kinder, die sich über ihre quirligen Enkel doch freuen sollte. An jenem Nachmittag versprach ich mir: "Ich werde meinen Schwiegertöchtern nie das Gefühl geben, dass ich keine Zeit für ihre Kinder habe." Inzwischen bin ich seit neun Jahren selber Großmutter, von mittlerweile vier putzmunteren Enkelkindern. Und wie sieht es aus in unserem Enkel-Kinder-Großeltern-Verhältnis?

Nie vergesse ich, wie Emmah, unsere erste Schwiegertochter, mir den kleinen Jabali am Tag seiner Entbindung in den Arm legt. Ich bin überwältigt von diesem wunderbaren Geschenk eines ersten Enkelkinds. Sie bittet mich darum, ihr in den Tagen nach der Geburt zur Seite zu stehen. Gerne bin ich dazu bereit. Allerdings nur, wenn sie mich ruft. Ungefragt werde ich nicht kommen. Ich wohne ja nur um die Ecke. Wenige Jahre später fragt mich auch Christiane, unsere zweite Schwiegertochter, ob ich ihr in den ersten Tagen nach Annas Geburt helfen kann. Und natürlich übernehme ich auch hier gerne diese Aufgabe. Jetzt muss ich allerdings 600 Kilometer fahren.

Auch die Schwiegertöchter gerecht behandeln

Nachdem ich wieder zu Hause bin, komme ich mit Emmah ins Gespräch. Sie erzählt mir, wie traurig sie darüber ist, dass ich mehrere Tage zu Christiane gefahren bin, um ihr zu helfen. Denn als sie ihr Kind bekam, bin ich zwar auch zu ihr gekommen, habe aber nicht bei ihr gewohnt. Ich bin über ihre Worte erschrocken. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, so kurz nach der Entbindung einfach zu Sohn und Schwiegertochter in der gleichen Stadt zu ziehen. Ich selbst fand es herrlich, diese wichtige Zeit damals mit unserem ersten Baby allein mit meinem Mann zu verbringen. Meine Mutter oder Schwiegermutter wollte ich nicht dabeihaben.

Doch Schwiegertochter Emmah kommt aus Kenia und hat einen anderen kulturellen und familiären Hintergrund. Zudem ist sie zum Zeitpunkt ihrer Entbindung noch nicht lange in Deutschland. Muss sich erst an alles Neue gewöhnen. Weil wir uns noch nicht so gut kannten, hatte sie ihre Bitte auch nicht mit Nachdruck formuliert. Darum bin ich dankbar, dass Emmah selbst nach zwei Jahren ihr Problem noch einmal anspricht. Natürlich will ich sie nicht benachteiligen. Ich habe aus meiner Denkweise entschieden und ihre nicht ernst genommen.

Diese Begebenheit wird mir zu einer wichtigen Lektion im Umgang mit meinen Schwiegertöchtern: Wir müssen offen miteinander reden, fragen und nachfragen. Von Anfang an genieße ich unsere Enkelkinder. Ich sehe, wie sie aufwachsen. Kann sie wiegen und spazieren fahren. Erlebe, wie sie anfangen zu lachen und später auch den ersten Zahn bekommen. Aber die lieben Kleinen werden größer. Sie tauschen ihr bezauberndes Lachen aus der Wiege mit nachdrücklichen Forderungen an der Supermarktkasse. Und sie tauschen fröhliche Jauchzer mit wütendem Schreien.

Den Enkelkindern von Jesus erzählen

Ich schaue mir das mal aus größerem, mal aus kleinerem Abstand an. Es stört mich nicht. Auch rege ich mich nicht auf. Die Zeiten sind vorbei. Ich muss ja keine Verantwortung übernehmen. Denn die haben unsere Kinder.

Und das ist ein absoluter Vorteil, den ich als Großmutter genieße. "Eltern sind für die Erziehung da – und Großeltern fürs Verwöhnen!" Da bin ich doch eindeutig in der komfortableren Position. Als unsere eigenen Kinder klein waren, gab es ein ungeschriebenes Gesetz: Sind wir bei den Großeltern zu Besuch, gelten dortige Spielregeln. Sind sie (und die Großeltern) bei uns, gelten unsere. Das praktizieren wir mit unseren Enkeln (und ihren Eltern) bis heute. Dann ist bei uns mitten in der Woche sogar Nutella zum Frühstück erlaubt. Und die Gartenschlauch-Party auch, selbst wenn alle Klamotten nass werden. Wir nennen das "Ausnahmezustand". Und den genießen wir.

Im Übrigen gehen wir viel entspannter mit den Enkeln um, als wir es uns jemals mit unseren Kindern erlaubt haben. Das ist aber längst nicht alles. Wir Großeltern haben ein weiteres Vorrecht: Wir können für unsere Enkelkinder beten und ihnen von Jesus erzählen. Meine Oma hat das für mich getan und meine Eltern für unsere Kinder. Und auch wir dürfen unsere Enkel diesem großen Gott anvertrauen. Inzwischen sind sie so groß, dass sie uns manchmal Fragen über den Glauben stellen. Darüber freuen wir uns.

Seit einiger Zeit wird ein Enkelkind in der Schule wegen seines Glaubens an Jesus ausgelacht. Das nimmt er zum Anlass, jetzt selbst in der Bibel zu lesen und mit seinem Großvater darüber zu sprechen. Klar, manchmal stöhnen sie auch, wenn wir vor dem Frühstück die Herrnhuter Losungen lesen und noch so lange für "Gott und die Welt" beten. Aber da müssen sie durch. Vielleicht wird ihnen gerade diese Gewohnheit in Erinnerung bleiben.

Und wenn der Ausnahmezustand zum Normalfall wird?

Allerdings habe ich gut reden. Unsere Enkel wohnen inzwischen weit weg. Überraschend kommen sie uns nie besuchen. Wir können die Treffen vorbereiten. Das hat Vorteile. Doch wie geht es denen, die den Satz meiner Mutter ("Wenn du noch eine Oma hast, so danke Gott – und spann sie ein!") nicht mehr augenzwinkernd sprechen, sondern stöhnen? Wenn Großeltern sich ausgenutzt und vielleicht sogar missbraucht fühlen? Wenn sie in Reichweite wohnen und immer eingespannt werden? Wenn der Ausnahmezustand zum Normalfall wird?

Hier müssen ganz andere Spielregeln aufgestellt werden. Natürlich haben Großeltern (aber auch Eltern) ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Und dazu zählt manchmal ein deutliches "Nein" für beide Seiten, wenn die Termine oder Situationen nicht passen. Kommen die Enkel ins Teenageralter, gewinnen oft andere Dinge ihre Aufmerksamkeit. Dann wird die Zeit weniger, in der sie uns ungezwungen besuchen. Das ist schade, aber es entlastet auch. Wie gut, wenn sie uns als Anlaufstelle kennen – selbst wenn sie die nicht immer nutzen. Den Boden dafür bereiten wir in den Kindertagen.

Es hat aber auch Nachteile, weit entfernt zu leben. Dann wenn ich nicht spontan den kranken Kindern helfen kann, oder wenn die Kita zu einem Oma-Enkel-Nachmittag einlädt und ich für eine lange Reise keine Zeit habe.

Facebook und SMS seien gepriesen!

Zum Glück machen es die modernen Medien möglich, trotzdem gut in Kontakt zu bleiben. Wohl den Großeltern, die sie nutzen! Mein Vater hat sich kurz vor seinem 90. Geburtstag noch ein Handy gekauft und seinen Enkeln SMS geschrieben. Die waren echt stolz auf so einen coolen Opi. Als ich das erste Mal Großmutter wurde, wollte ich niemals Enkelbilder aus der Handtasche kramen und meine Kaffeegäste damit langweilen. An dieses Vorhaben habe ich mich bis heute gehalten. Allerdings ist die Versuchung mit dem Smartphone nicht kleiner geworden.

Unsere Gesellschaft braucht Kinder. Aber sie braucht auch Großeltern. Aus unterschiedlichen Gründen geht das nicht immer so einfach. Vielleicht sind die Großeltern noch fit und haben wenig Zeit. Oder die jungen Familien wohnen weit weg und können kaum unterstützt werden. Manchmal entscheiden sich Paare auch gegen Kinder oder bekommen aus gesundheitlichen Gründen keine. Wie wäre es dann mit Großelternpaten? Dieses Modell hat sich in unterschiedlichen christlichen und politischen Gemeinden vielfach bewährt. Und es begeistert mich. Dann könnte jeder, egal ob mit eigenen oder Paten-Enkeln, aus Überzeugung sagen: "Wenn du noch eine Oma (oder Enkel) hast, so danke Gott – und mach was draus!"

 

Silke Stattaus aus Wittenberg ist seit neun Jahren Großmutter, mittlerweile hat sie vier Enkelkinder. Sie ist außerdem seit einigen Jahren Vorsitzende des Vereins "Frühstücks-Treffen für Frauen" in Deutschland.

Silke Stattaus aus Wittenberg ist seit neun Jahren Großmutter, mittlerweile hat sie vier Enkelkinder. Sie ist außerdem seit einigen Jahren Vorsitzende des Vereins »Frühstücks-Treffen für Frauen« in Deutschland.
Silke Stattaus aus Wittenberg ist seit neun Jahren Großmutter, mittlerweile hat sie vier Enkelkinder. Sie ist außerdem seit einigen Jahren Vorsitzende des Vereins »Frühstücks-Treffen für Frauen« in Deutschland.