Der 23. Mai: Vielleicht wäre er der bessere deutsche Nationalfeiertag. Keine Frage – die deutsche Wiedervereinigung ist und bleibt ein zu feierndes Geschenk. Doch entscheidend war auch dafür das Fundament eines friedlichen, freiheitlichen, seinen Nachbarn freundlich zugewandten Deutschlands: das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949, vor 75 Jahren also, verkündet wurde und am Tag darauf in Kraft trat.

Das Grundgesetz kommt bescheiden daher für eine Verfassung und ist doch ein großartiger Rechtstext. Er beginnt mit diesem poetisch-humanistischen Glaubensbekenntnis:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Das Grundgesetz ist eine antifaschistische, antitotalitäre Verfassung. Es war die Antwort auf die Katastrophe des Nationalsozialismus und die totale Niederlage dieses verbrecherischen Irrwegs, der alles andere als ein "Fliegenschiss" in der Geschichte unseres Landes war.

Das Grundgesetz hat das Fundament für ein stabiles politisches System und eine florierende Wirtschaft gelegt

Das Grundgesetz ist die beste Verfassung, die Deutschland je hatte. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Grundrechte, festgeschrieben in den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes, Rechte der Menschen gegenüber dem Staat sind. In Zeiten wie unseren, die vor allem vom Staat Rettung bei allen Zukunftsherausforderungen zu erwarten scheinen, ist der Hinweis auf dieses Grundverhältnis der Freiheit weder eine Selbstverständlichkeit noch eine Petitesse.

Das Grundgesetz hat in den letzten 75 Jahren das freiheitliche Fundament für ein stabiles politisches System und eine florierende Wirtschaft gelegt. Was die alte DDR-Nationalhymne besang, hat das Land unter den Regeln des Grundgesetzes auf der anderen Seite der Mauer wahr gemacht: Es ist auferstanden aus Ruinen – einer europäischen Zukunft zugewandt.

Freiheit und die Demokratie müssen wehrhaft gegen ihre Feinde sein

Zu den Erkenntnissen aus Weimar gehörte, dass man die Freiheit und die Demokratie absichern muss gegen ihre Feinde. Denn Freiheitsrechte oder demokratische Wahlen lassen sich auch gegen Freiheit und Demokratie missbrauchen. "Wehrhafte Demokratie" heißt das Konzept, mit dem sich unsere Demokratie gegen den eklatanten Missbrauch freiheitlicher Grundrechte gegen diese selbst erwehrt.

Wer, wie maßgebliche Teile der AfD, einen rechtlich abgewerteten Status von deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund zum Ziel hat, steht zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes, urteilte nun das Oberverwaltungsgericht Münster.

Unabhängig von diesem Fingerzeig der Justiz: Eine politische Alternative in einem freiheitlichen und demokratischen Deutschland (und Europa) kann eine solche Partei nicht sein. Doch vielleicht muss der ultimative Garant des Grundgesetzes, das Bundesverfassungsgericht, in Zukunft noch besser vor allen politischen Zugriffen geschützt werden.

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