Schreckliche Nachrichten an diesem Wochenende: Auf einem Stadtfest im nordrhein-westfälischen Solingen hat ein Mann am späten Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet. Mehrere Menschen wurden verletzt.

Doch wer versucht, etwas über die Opfer des Mörders herauszufinden, findet wenig bis gar nichts. Nach Angaben der Polizei handelt es sich um eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren. Mehr Informationen gibt es nicht. Auch über die Verletzten wird wenig gesprochen.

Interesse gilt nur dem Täter

Wie so oft konzentriert sich die öffentliche Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf den Täter. Das ist leider nichts Neues. Längst hat sich in Deutschland ein festes Ritual nach Nachrichten über solche Gewalttaten etabliert: Angeheizt durch Medien wie "Bild" und "Nius" wird in sozialen Netzwerken sofort über die Herkunft des Täters spekuliert. Andere Fragen interessieren nicht. Stellt sich heraus, dass es sich um einen weißen Deutschen handelt, ebbt die Sensationslust sofort ab. 

Doch weil der mutmaßliche Täter vom Freitagabend kein Deutscher, sondern ein Syrer war, begann - lange bevor dies überhaupt feststand, auf Basis von Internetgerüchten - der zweite Teil des Rituals: Die sogenannte Migrationsdebatte. 

Auch diese ist alles andere als neu. Seit in den 1990er Jahren nach rechtsextremen Anschlägen Flüchtlingsunterkünfte und Privatwohnungen von Migrant*innen brannten, wird sie in Deutschland in regelmäßigen Abständen geführt. Der Tenor ist immer derselbe: Zuwanderung ist potenziell gefährlich, muss begrenzt und eingeschränkt werden.

Der ewige Ruf nach mehr Härte

Damit kommen wir zu Phase 3: Der Ruf nach Härte. Der Bundeskanzler fordert eine "harte" Bestrafung des Täters (was auch immer das sein soll), als ob wir keinen unabhängigen Rechtsstaat hätten. Andere Politiker*innen und auch Journalist*innen kommen mit Forderungskatalogen, die die Abschaffung von Grundrechten wie dem auf Asyl oder Sicherheitsmaßnahmen, die einer Totalüberwachung entsprechen, umfassen. 

Dabei geht es nicht um die Opfer. Ihr Leben, das so brutal und sinnlos beendet wurde, interessiert kaum. Interessant ist nur, wie die grausame Tat für die eigene politische Agenda instrumentalisiert werden kann.  

Natürlich löst eine Tat wie die von Solingen Verunsicherung aus. Diese Verunsicherung darf aber nicht dazu führen, dass statt Trauer nur noch Wut und Aktionismus Platz haben. Aktionismus, der zudem nur die falschen Antworten auf die Herausforderung des Terrors gibt. Denn diese Taten geschehen nicht, weil die deutsche Gesellschaft "verweichlicht" ist und mehr Härte braucht. Das ist übrigens eine Logik, die Rechtsextremisten mit der Ideologie des IS verbindet, die den Täter aller Wahrscheinlichkeit nach zu seiner Tat inspiriert hat. 

Die offene Gesellschaft wird immer verwundbar sein, so schmerzlich diese Erkenntnis ist. Der Verzicht auf ihren Kern, die Grundwerte Freiheit und Menschenwürde, führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zur Selbstaufgabe. Und auch autoritäre und totalitäre Staaten können Anschläge wie den von Solingen nicht vollständig verhindern. 

Gefährliches Spiel mit dem Feuer

Wenn Politiker*innen und Journalist*innen jetzt also den falschen Eindruck erwecken, mit mehr Abschiebungen und weniger Rechten für Asylsuchende ließe sich Terrorismus bekämpfen, dann spielen sie ein gefährliches Spiel. Wo das enden kann, haben die rassistischen Pogrome in England vor wenigen Wochen eindrucksvoll gezeigt. 

Wer den Terrorismus in all seinen Erscheinungsformen, ob rechtsextremistisch oder islamistisch, wirklich bekämpfen will, braucht einen langen Atem. Es reicht nicht aus, nur auf Symptome zu schauen und falsche Diagnosen zu stellen.

Es ist unpopulär geworden, darauf hinzuweisen, aber es bleibt richtig: Die Ursachen des Terrors, die Motive der Terroristen sind oft sehr individuell. Was sie aber soziologisch eint, ist nicht Herkunft oder Hautfarbe. Es ist die Tatsache, dass es wütende junge Männer sind. 

Ihre Wut, oft aus Frustration über vermeintliche oder tatsächliche Ausgrenzungserfahrungen, macht sie empfänglich für gefährliche Ideologien. Natürlich müssen auch diese Ideologien, Rechtsextremismus und Islamismus, entschieden bekämpft werden. Aber auch hier reicht es nicht aus, der Polizei immer mehr Befugnisse zu geben und ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht zu stellen. Im Gegenteil: Das ist letztlich nur ein Erfolg für die Hintermänner und eine gute Basis für die Rekrutierung neuer Terroristen. 

Weniger Härte statt mehr

Wie gesagt, es gibt keine einfachen Antworten auf die Herausforderung des Terrorismus. Jedem, der behauptet, eine zu haben, sollte mit Misstrauen begegnet werden. Nur langfristige Maßnahmen helfen: Bildung, Aufklärung, eine offene Gesellschaft, die Menschen integriert und akzeptiert, statt sie gegeneinander auszuspielen, Kampf gegen Armut, Maßnahmen gegen zeitgenössische Formen toxischer Männlichkeitsbilder.

Wir brauchen nicht mehr Härte, sondern weniger. Härte ist das, was die Terroristen wollen – und zeigen. Diese Einsicht ist nichts, was auf einem Wahlplakat oder einer Instagram-Kachel gut ankommt und emotionalisiert, oder verständliche, aber fatale Gelüste nach Rache befriedigt. Sie ist anstrengend und langwierig, aber langfristig sehr wirksam und nachhaltig – und heilsam. 

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

M. Sommer am So, 01.09.2024 - 14:56 Link

Der beschwichtigende und verständnisvolle Beitrag von Ihnen, Herr Marquardt, was die Taten von Islamisten bei uns betrifft, ist aus meiner Sicht ein Grund dafür, dass immer mehr Menschen unsere Kirche verlassen und auch immer mehr Menschen rechte Parteien wählen.
Ja, es sind wütende junge Männer. Das stimmt. Aber natürlich gilt das nur für eine kleine Minderheit der männlichen Asylanten.
Warum ist denn diese Minderheit so wütend? Ihr gelingt es nicht, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das liegt sowohl an ihrer Persönlichkeit, wie auch an ihrer Religion und ihrem Frauenbild.
Die meisten von ihnen haben eine Religion, nämlich den Islam, der sich für die einzig wahre Religion hält und uns Christen und auch die Juden als Ungläubige bezeichnet, die zu töten durchaus legitim ist und dann folgerichtig von den Islamisten gefeiert wird.
Der Islam hat zudem ein Frauenbild, welches es den jungen Männern in ihren Heimatländern ermöglicht hat, über die Frau nach Belieben zu verfügen. Die Achtung vor Frauen und insbesondere christlichen Frauen ist diesen jungen Männern fremd.
Nun kommen diese jungen Männer hierher und sind voll gepumpt mit Testosteron. Solche ungebildeten und erfolglosen Looser möchte aber kaum eine Frau hierzulande haben. Also sind in dieser Gruppe von Asylanten Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigung deutscher Frauen über proportional häufig.
Abschiebungen lösen das Problem nicht oder nur zum Teil. Diese Männer kommen nämlich wieder, kündigen das ja sogar bei der Abschiebung bereits an, und missbrauchen ihr Gastrecht in unserem Land dann weiter.
Aus meiner Sicht sollten sie hier bei uns die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen und nicht von einer milden verständnisvollen Justiz nach kürzester Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Der Rechtsstaat muss nach innen deutlich aufrüsten durch mehr Polizei und mehr Befugnisse für die Polizei. Unser Datenschutz erweist sich immer mehr als Täterschutz. Insofern muss der Datenschutz deutlich verringert werden. Der Fortbestand unserer offenen Gesellschaft erfordert diesbezüglich etwas weniger persönliche Freiheiten des Einzelnen und natürlich auch Einschränkungen beim Asylrecht und eine besseren Schutz unserer Außengrenzen. Wenn es so weiterläuft wie bisher, dann müssen wir uns wie gesagt nicht wundern, wenn rechte Parteien immer mehr Zulauf bekommen und immer mehr Menschen die Kirchen verlassen. Unsere Bevölkerung fühlt sich zunehmend nicht mehr sicher und folgt dann den Propheten, die mehr Sicherheit versprechen.
Also Herr Maquart: reden Sie doch mal mit den Menschen außerhalb Ihrer kleinen kirchennahen Community. Ihr Idealismus in allen Ehren. Aber er wird der Realität nicht mehr gerecht.

Ingrid Müller am So, 01.09.2024 - 08:58 Link

Aber oft ist es doch die Religion die das Motiv liefert unglaeubige zu toeten.
Es gibt doch diese unsäglichen Hassvideos im Netz ,gegen alles westliche.
Bei uns ist es moeglich ein Kalifat zu fordern.Da stehen auch viele junge Maenner .
Da wurden auch wütende Reden gehalten ,hier bei uns wo doch jeder in Freiheit leben kann.
Nur weil man wütend ist und sich hier etwas anderes erhofft hat ist es doch nicht zu rechtfertigen zu toeten.
Seyran Ates eine Rechtsanwaeltin und Muslimin hat eine liberale Moschee gegründet und braucht Polizeischutz.
Herr Abdel Samad,Herr Mansour die immer wieder erklaeren und versuchen auch zu vermitteln brauchen hier bei uns Polizeischutz.
Integration ein Buch von Abdel Samad schon da hat er geschrieben was falsch laeuft.
Aber er wird zu wenig gehoert hier.

Florian Meier am Mo, 26.08.2024 - 20:08 Link

Ein wirklich ärgerlicher Artikel, der wieder einmal dem Motto folgt: "Gehen Sie weiter hier gibt es nichts zu sehen" und die Tatsache, des islamischen Terrorismus ebenso bagatellisiert wie den Fakt, dass offenbar erneut ein ausreisepflichtiger Syrer zum Terroristen wurde oder es schon war und der auch sonst viel Nebel wirft. Terroristen sind übrigens nicht einfach irgendwelche wütenden Männer wie die gut feminin besetzte RAF in der Vergangenheit gezeigt hat und auch anderswo ist es nicht üblich, dass junge Männer offenbar wahllos Passanten ermorden. Im IS sind auch nicht so viele Heinz Rüdigers, die gelangen vielleicht eher in NSU ähnliche Strukturen - kurz der weltanschauliche Konflikt wird komplett vernachlässigt ist aber für Islamistische Anschläge ganz wesentlich. Tatsächlich sind Taten dieser Art kaum zu verhindern, wenn man den Täter nicht im Vorfeld entdeckt und es spricht für die Sicherheitsbehörden, dass komplex geplante Anschläge wie zuletzt der in Wien oft verhindert werden konnten. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die frühen Spekulationen einmal mehr ziemlich richtig lagen und Vorwürfe in diese Richtung nur bedingt angebracht sind. Zum Interesse Täter/Opfer ist zu sagen, dass die Opfer natürlich Empathie und Aufmerksamkeit verdienen allerdings auch persönlichkeitsrechtlich geschützt sind und das ist gut so. Auch wurden sie offenbar völlig willkürlich Opfer. Der Täter interessiert weniger aufgrund seiner Person sondern weil eine Wiederholung nur verhindert werden kann, wenn man Motiv, Auffälligkeiten und Strategie versteht. Zur Migration: Ja, die ist in einer Welt voller bewaffneter Konflikte und Länder, die den Westen hassen potenziell gefährlich, insbesondere wenn Personen anonym und mit falscher Identität ins Land kommen (es gibt leider auch böse "Buben") ohne dass man weiß, ob diese Spione, Kriegsverbrecher oder Mörder sind. Dem stehen natürlich auch viele Vorteile der Migration gegenüber, aber die Folgerung wegen letzterer ersteres komplett zu ignorieren ist eine gefährliche Dummheit, gerade weil offene Gesellschaften den Bürgern vertrauen müssen und in ihren Überwachungsmöglichkeiten zurecht beschränkt sind. Zudem schadet jeder Fall, wo es schief geht den übrigen überwiegend friedlichen und recht unauffälligen Migranten. Gegen gezielt einwandernde Terroristen hilft weder Bildung noch Aufklärung. Sie wissen genau was sie tun und sie wollen es tun und nein, diese sind weder zu integrieren noch zu akzeptieren (das wäre ja noch schöner) sondern möglichst fern zu halten oder festzusetzen. Das gilt für RAF, Kremlmörder, NSU und IS gleichermaßen. Alles andere gefährdet den inneren Frieden und verhöhnt die Opfer.