2023 erreichten sowohl die Zahl antimuslimischer als auch antisemitischer Vorfälle in Deutschland einen neuen Höchststand.

Die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Claim) dokumentiert in ihrem "Zivilgesellschaftlichen Lagebild antimuslimischer Rassismus" 1.926 Fälle (2022: 898). Täglich ereigneten sich demzufolge im Jahr 2023 im Durchschnitt mehr als fünf antimuslimische Vorfälle (2022: 2 Fälle pro Tag), eine Zunahme um 114 Prozent. 

Auch der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) hat in ihrem Jahresbericht bundesweit eine drastische Zunahme antisemitischer Vorfälle registriert. Im vergangenen Jahr erfasste der Verband nach eigenen Angaben vom Dienstag 4.782 Vorfälle. Das ist eine Zunahme von rund 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 

Antimuslimische Vorfälle

Betroffen seien Muslim*innen und Menschen, die als Muslim*innen gelesen werden, religiöse Einrichtungen und Orte wie Moscheen oder muslimische Grabstätten sowie muslimisch markierte Orte wie Restaurants und Supermärkte gewesen, heißt es in dem Bericht von Claim weiter.

Die antimuslimischen Vorfälle verteilen sich folgendermaßen:

  • Verbale Angriffe machen mit 1.277 registrierten Fällen den größten Anteil aus (66 %)
  • gefolgt von 363 Diskriminierungen (19 %)
  • sowie von 286 dokumentierten Fällen verletzenden Verhaltens (15 %).
  • Die Kategorie Verbale Angriffe umfasst 764 Fälle von Volksverhetzung, 353 Beleidigungen, 120 Bedrohungen/Nötigungen, 17 Verleumdungen sowie 23 Fälle von übler Nachrede. 
  • Insgesamt wurden 178 Körperverletzungen, 4 versuchte Tötungen, 93 Sachbeschädigungen, 5 Brandstiftungen sowie 6 sonstige Gewalttaten dokumentiert, unter anderem Diebstahl oder Hausfriedensbruch.

Insbesondere nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 seien antimuslimische Vorfälle sprunghaft angestiegen. Und: In 62 % der dokumentierten Fälle waren Frauen betroffen.

Antisemitische Vorfälle

Neben sieben Fällen extremer Gewalt wurden 2023 121 Angriffe und 183 Bedrohungen von Rias registriert. Speziell vor dem Jahresende gab es den Angaben zufolge gewalttätige Vorfälle.

Rund zwei Drittel der registrierten Fälle von extremer Gewalt, Angriffen und Bedrohungen hätten nach dem 7. Oktober stattgefunden. So sei in Berlin im Oktober ein Brandsatz in Richtung eines jüdischen Gemeindezentrums geworfen worden. Im Ruhrgebiet gab es wenige Tage später zwei Brandanschläge auf das Haus einer jüdischen Familie.

Anfeindungen, Übergriffe und das Gefühl ständiger Bedrohung seien für viele Jüdinnen und Juden Realität, erklärte Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland:

"Sorge bereitet vielen auch die Frage, ob in Zukunft ein freies und sicheres Leben als Juden in Deutschland möglich sein wird."

Jüdisches Gemeindeleben könne nur unter höchsten Sicherheitsbedingungen stattfinden. Antisemitisches Gedankengut reichw von ganz links bis ganz rechts und in die Mitte der Gesellschaft hinein. 

Muslime fühlen sich nicht sicher

Claim-Sprecherin Rima Hanano nannte den massiven Anstieg antimuslimischer Übergriffe und Diskriminierungen im Jahr 2023 "mehr als besorgniserregend". Gleichzeitig werde diese Bedrohungslage bisher kaum wahrgenommen, antimuslimischer Rassismus sei noch nie so salonfähig wie heute gewesen und komme aus der Mitte der Gesellschaft:

"Für Muslim*innen und Menschen, die als solche gelesen werden, sind die Straße, der Bus oder die Moschee längst keine sicheren Orte mehr."

Hanano erklärte weiter, Diskurse im politischen und medialen Raum zu Migration, Integration oder Sicherheit "mit rassistischer Schlagseite" sorgten für ein Klima, das antimuslimischen Hass, Diskriminierungen und Gewalt schüre und legitimiere. 

Claim hat zwölf Handlungsempfehlungen formuliert, um antimuslimischem Rassismus entgegenzuwirken und Betroffene zu stärken. Diese sind unter anderem die Gewährleistung des Schutzes rassistisch markierter Menschen – so auch Muslim*innen – im gesamten öffentlichen Raum durch den Staat, eine konsequente Erfassung und Ahndung antimuslimischer Straftaten durch Strafverfolgungsbehörden sowie eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Auch fordert man die Anerkennung von antimuslimischem Rassismus und die Etablierung einer einheitlichen Arbeitsdefinition zu antimuslimischem Rassismus als Basis für behördliches Handeln.

Claim ist ein Netzwerk von 50 muslimischen und nichtmuslimischen Akteur*innen der Zivilgesellschaft und wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (Rias) verfolgt das Ziel, mithilfe eines Meldeportals bundesweit eine einheitliche zivilgesellschaftliche Erfassung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle zu gewährleisten. 

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