Annika geht es gut. Die 14-Jährige ist sehr froh, dass sie das sagen kann. Denn sie weiß, dass es anders sein kann. Vor drei Jahren, Annika Wein war elf Jahre alt, erfuhr sie, dass die Schmerzen in ihrem rechten Bein von einem bösartigen Tumor kommen.

Knochenkrebs. Was genau das bedeutet, "habe ich erst mit der Zeit verstanden", erzählt sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Inzwischen trägt sie eine Beinprothese und spielt wieder Feldhockey.

14-Jährige erhält Krebsdiagnose

"Wir waren im Ausnahmezustand", erzählt Mutter Silja Wein. Deshalb ist auch sie heute glücklich, dass sie sagen kann: "Wir leben seit einem Jahr Normalität." Danach sah es zunächst nicht aus. Im Februar 2022 wurde ein Rezidiv festgestellt; neue Tumore, nun auch im linken Bein und in der Lunge. Annika - die meisten nennen sie Anni - bekam wieder Chemotherapien und Bestrahlungen.

Vor einem guten Jahr teilten Ärzte in der Uniklinik in Frankfurt der Familie mit, sie rechneten nicht mehr mit der Heilung, sondern hätten nur noch ein palliatives Behandlungsangebot. Als Annika den Erstkontakt zum Palliativteam hatte, ging es ihr allerdings gut, und dieser Zustand hält an. Die jüngsten Untersuchungen zeigen, dass die Metastasen kleiner geworden seien, erzählt das Mädchen.

Operationen und Amputation

Die Jugendliche mit den blonden Locken hat einige Operationen hinter sich. Der rechte Unterschenkel inklusive Kniegelenk wurde im Oktober 2020 amputiert, dreimal holten Ärzte Tumore aus ihrer Lunge. "Das war am schlimmsten", urteilen Mutter und Tochter. Annika sagt das wegen der großen Schmerzen, die sie nach den Operationen hatte, die Mutter wegen der Angst: "An der Lunge hängt das Leben."

Annika ist die älteste von vier Schwestern. Sie war immer ein Kind mit Bewegungsdrang. Seit ihrem fünften Lebensjahr spielt sie Hockey beim 1. Hanauer Tennis- und Hockey-Club (THC Hanau). "Wir sind ein Team! Wir kämpfen zusammen, egal ob wir gewinnen oder verlieren", beschreibt sie ihre Motivation.

Zurück zum Hockey dank Sportprothese

Vor ihrer Erkrankung hat Annika in der ersten Mannschaft gespielt, jetzt spielt sie in der zweiten. Seit 2022 ist sie mit ihrer Sportprothese zurück auf dem Platz. Im Verein und von ihren Mannschaftskolleginnen sei sie sehr gut aufgenommen worden, sie habe großen Spaß beim Sport. Wenn im Training Übungen wie etwa Kniebeugen dran seien, die sie nicht mitmachen kann, dann gebe der Trainer ihr eben eine andere Aufgabe.

Das sei selten der Fall, sagt Trainer Manuel Ceballos-Müller. Annika mache fast alles im Team mit, sei sehr ehrgeizig und auch sehr hilfsbereit. "Als wir am Wochenende jemanden als Schiri gesucht haben, hat Anni sich sofort gemeldet", erzählt er.

Annikas Freundinnen und zugleich Hockey-Kolleginnen Lara und Lena (beide 14) beschreiben sie als offenen und lebensfrohen Mensch. "Mit ihr ist es immer lustig", sagt Lena. Lara fügt hinzu, dass sie sehr stolz auf Annika sei.

In der Schule trotz allem

Auch in der Schule ist die Jugendliche seit einem Jahr wieder angekommen. Die Mitschüler hätten von Anfang an sehr gut auf ihre Erkrankung reagiert, sagt sie. "Am Anfang sind sie erschrocken, und dann wollten sie wissen, wie lange ich wegen der Operationen weg sein werde." Die 14-Jährige konnte in der Klasse bleiben. "Das war uns wegen der Sozialkontakte ganz wichtig", erklärt Mutter Wein.

Online bekam Annika Einzelunterricht. Zeitweise reichte ihre Kraft nur für eineinhalb Stunden pro Woche. Aber jetzt, sagt sie stolz, habe sie ein klasse Zeugnis.

Woher hatte sie die Kraft, immer weiterzukämpfen?

"Aufgeben geht nicht", sagt sie energisch. Sie wolle auch nicht herumliegen und sich verwöhnen lassen. "Das ist voll langweilig, ich will mich bewegen."

Annika ist in diesem Jahr in der Wallonisch-Niederländischen Kirche Hanau konfirmiert worden. Nach ihrem Konfirmationsspruch hat Annika lange gesucht und wurde auf der Internetseite "konfispruch.de" fündig: "Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Wer an Gott glaubt und liebt, der bekomme auch etwas zurück, sagt Annika. Das gefalle ihr und man könne es auch auf andere Lebensbereiche übertragen.

Gott und die Hoffnung

In den schweren Wochen ihres Lebens habe sie allerdings nicht an Gott gedacht: "Man ist wie in einem Tunnel und will sich nur noch durch die ganzen Chemos, Bestrahlungen und Operationen durcharbeiten, um zum Licht zu kommen." Am Ende sei zwar das Licht nicht gekommen, "aber ein Seitenausgang", sagt die 14-Jährige leise. Damit meint sie, dass der Krebs nicht weg ist, es ihr aber dennoch gut gehe. "Ich lebe und ich habe Spaß", sagt sie fast ein wenig trotzig.

Annika trifft sich gerne mit Freundinnen und Freunden, schimpft auf Lehrer, die eine Leistung anders bewerten als sie selbst und hat Träume für ihr späteres Leben. Auf jeden Fall reisen, das mache ihr auch heute mit ihrer Familie großen Spaß.

Hat sie Angst? Nach den vergangenen drei Jahren schrecke sie kaum noch etwas, sagt Annika sehr ruhig.

Wichtig sei die Hoffnung: "Ich möchte den Krebs überwinden oder ihn wenigstens nicht mehr spüren."

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden