Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kritisiert die EU-Pläne für Asylverfahren an den Außengrenzen. Bisher habe man mit entsprechenden Lagern Erfahrungen gemacht, die nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind. "Deswegen kann ich das nicht akzeptieren, was man da jetzt im Moment vorhat", sagte Bedford-Strohm am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Er verstehe das Bemühen der deutschen Politik, zu einer europaweiten Regelung zu kommen. Auch müsse es "die Möglichkeit geben, Menschen zurückzuführen, deren Asylantrag nicht anerkannt worden ist". "Aber auf menschenwürdige Weise", fügte er hinzu.

Migrationsforscher warnt vor mehr Gewalt

Der Migrationsexperte Maximilian Pichl indes warnt vor einer Zunahme der Gewalt gegen Schutzsuchende. "Wenn der EU-Migrationspakt kommt, werden die Staaten an der Außengrenze noch schärfer versuchen, mit allen Mitteln zu verhindern, dass Menschen hier ankommen", sagte der Rechts- und Politikwissenschaftler an der Universität Kassel dem Evangelischen Pressedienst (epd). So werde es wahrscheinlich "noch härtere Pushbacks", also illegale Rückführungen an der Grenze geben.

Die EU-Kommission hatte 2020 einen Vorschlag für eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) vorgelegt. Die Bundesregierung, das EU-Parlament und die EU-Ratspräsidentschaft dringen darauf, die Reform noch vor den Europawahlen 2024 zu verabschieden. Im April erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Deutschland werde sich dafür einsetzen, Asylverfahren bereits an der Außengrenze durchzuführen.

Keine inhaltliche Prüfung von Asylanträgen mehr

Bei dem von Faeser genannten Vorhaben handele es sich um sogenannte Grenzverfahren, sagte Pichl, der derzeit eine Vertretungsprofessur an der Uni Kassel innehat. Diese seien dem eigentlichen Asylverfahren vorgelagert. Es finde keine inhaltliche Prüfung des Rechts auf Asyl statt.

Stattdessen werde lediglich formal geprüft, ob Schutzsuchende direkt wieder abgeschoben werden könnten, etwa weil sie aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien. "Das steht in großem Widerspruch zum Koalitionsvertrag, in dem die Ampel-Koalition festgelegt hat, dass jeder Asylantrag inhaltlich geprüft werden soll", sagte Pichl.

Praktisch käme es bei den Grenzverfahren zu einer Inhaftierung einer Vielzahl von Schutzsuchenden in den Staaten mit EU-Außengrenze, etwa Italien und Griechenland. Infolgedessen könnten auch Forderungen nach einer noch weiteren Auslagerung der EU-Grenzen lauter werden, befürchtet Pichl.

"Einige Staaten wollen die Asylverfahren nicht mehr in Europa, sondern in Asylzentren in afrikanischen Ländern haben."

Der Migrationsforscher kritisierte, dass bereits seit 2015 eine massive Asylrechtsverschärfung in der EU zu beobachten sei. Mit dem geplanten EU-Paket werde dies fortgesetzt. "Das ist ein Placebo-Paket, das Handlungsbereitschaft suggeriert, ohne die Probleme zu lösen", sagte Pichl etwa mit Blick auf die fehlende Kompromissbereitschaft bei der Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU.

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