Simplice Kazeta erinnert sich noch genau daran, wie er mit seiner Frau und sechs Kindern am 10. Juni 2013 in einer Piroge den Grenzfluss Ubangi überquert hat. Es herrschte Krieg in der Zentralafrikanischen Republik: In ihrem Heimatort hatte die Rebellenallianz Seleka wie in vielen Teilen des Landes Zivilisten ermordet und Häuser angezündet.

Flüchtlinge dürfen keine Jobs annehmen

Früher betrieb Kazeta eine kleine Organisation im Gesundheitsbereich. Heute ist der 50-Jährige der Vorsitzende des Komitees der Geflüchteten im Flüchtlingslager Inke. Unterwegs im Camp hat der gut gekleidete Mann immer ein Notizheft dabei, um Beschwerden der Bewohnerinnen und Bewohner aufzunehmen. Rund 210.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik leben in der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Etwa 18.000 davon im Camp Inke in der Region Nord-Ubangi.

Als Flüchtlinge unter dem Schutz des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) dürfen sie keine offiziellen Jobs annehmen, von denen es in der Region ohnehin kaum welche gibt. Versorgt werden sie vom UN-Welternährungsprogramm (WFP), jede Person bekommt umgerechnet etwa 12,50 Euro pro Monat.

In der Zahlwoche ist Markttag

In der Zahlwoche, in der es auch einen Markt gibt, versucht jeder, aus dem bisschen Geld ein wenig mehr machen. Es sind vor allem die Frauen, die Bananen, Erdnüsse und Maniok verkaufen, die sie auf Feldern in der Umgebung angebaut haben. Manche verkaufen auch Second-Hand-Kleidung, Flipflops, Radios oder Taschenlampen.

Kazeta wünscht sich, dass die Flüchtlinge vollständig in der DR Kongo integriert werden. "Wir sind schon so lange hier, wir sind quasi wie Kongolesen", sagt er.

Als 2013 der Krieg in der Zentralafrikanischen Republik begann, hat die lokale Regierung im Nordkongo dem UNHCR das Land zur Verfügung gestellt. Erst lebten die Menschen in Zelten, später wurden sie dabei unterstützt, kleine Häuser aus Lehmziegeln zu bauen. 40 Kilometer Luftlinie sind es von hier bis zum Grenzfluss Ubangi. Bis heute ist die Region auf der anderen Seite des Flusses in der Hand von Rebellen.

Eine der vergessenen Krisen

Die Lage in der Zentralafrikanischen Republik ist laut einem Bericht der Hilfsorganisation Care eine der Krisen, über die weltweit am wenigsten berichtet wird. Mehr als 700.000 Menschen leben bis heute als Flüchtlinge in den Nachbarländern, tausende Zivilisten wurden nach Schätzungen des Hilfswerks World Vision getötet. Drei Millionen Menschen - etwa die Hälfte der Bevölkerung - sind laut den UN auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Seit 2018 sind Söldner des Kreml-nahen Wagner-Konzerns in der Zentralafrikanischen Republik, um die Regierung im Kampf gegen die Rebellen zu unterstützen. Im Gegenzug für den Einsatz darf Wagner Gold- und Diamantenminen betreiben. Seitdem wagen sich die Rebellen weniger vor. Doch auch den russischen Kämpfern werden Massaker an der Zivilbevölkerung vorgeworfen. 2021 sollen sie in den Dörfern Aigbado und Yanga laut der US-amerikanischen UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield 30 Zivilisten getötet haben. Die Orte liegen etwa 200 Kilometer vom Camp Inke entfernt.

Leid und keine Aussichten

Wenn sie solche Nachrichten hört, ist Merveille Mabzu-Ayou froh, dass sie hier wenigstens in Sicherheit ist. Ihr Vater wurde 2013 von den Rebellen ermordet. Sie war erst sieben Jahre alt, als ihre Mutter mit ihr und den fünf Brüdern in die DR Kongo geflohen ist. Trotzdem will die 17-Jähriges eines Tages zurück.

"Das Leid und die Aussichtslosigkeit hier sind zu groß", sagt sie.

Vor einem Jahr ist ihre Tochter Falonne im Camp auf die Welt gekommen.

Merveille selbst geht noch zur Schule, doch gerade ist es wieder einmal schwierig, genug Geld für die Gebühren zusammenzubekommen. Der Besuch der Grundschule ist in der DR Kongo kostenlos, ab der siebten Klasse muss man zahlen. Merveille hofft, dass sie es trotzdem schaffen wird, ihren Schulabschluss zu machen. Sie würde dann gerne Schneiderin werden.

Zehn Jahre leben sie jetzt in Inke. 2021 hat sich eine kleine Gruppe entschieden, zurück in die Zentralafrikanische Republik zu gehen. Die Vereinten Nationen haben mit ihrem humanitären Flugprogramm einen Flug nach Bangui organisiert, die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Mehr als 900 Menschen stehen auf der Liste für eine Rückreise in die Heimat. Doch bisher gab es nur den einen Flug.

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