Herr Kreysler, die Debatten um das Bürgergeld nehmen kein Ende. Die Union will eine harte Bürgergeld-Politik und eine Arbeitspflicht einführen. Was sagen Sie dazu?

Samuel Kreysler: Nach der Bundestagswahl wird es erhebliche Einschnitte geben. Selbst die SPD möchte inzwischen das Bürgergeld reformieren. Dabei sind mit Sicherheit Sanktionierungen zu erwarten, wenn eine Stelle nicht angenommen wird. Oder der Bürgergeld-Bezieher künftig verpflichtet wird, nachzuweisen, dass er nicht arbeiten kann.

Diese Änderungen sind einerseits eine Chance, weil doch der eine oder andere gezwungen wird, eine Arbeitsstelle anzunehmen. Andererseits wird es auch einige treffen, die nicht arbeiten können.

Wie viele Totalverweigerer gibt es?

Meiner Erfahrung nach machen die Totalverweigerer eine relativ geringe Quote aus. Die Arbeitslosenquote der letzten Jahre war gering. Wenn nicht gearbeitet wurde, hatte es häufig Krankheitsgründe körperlicher oder seelischer Art. Oder es gab Sprachbarrieren, wie bei Menschen aus dem arabischen Raum. Ein Teil der Bürgergeld-Empfänger sind einfach auch Kinder und Jugendliche.

Eine wichtige Rolle beim Bürgergeld spielen die Jobcenter. Sie sollen die Bezieher beraten und in Weiterbildung oder Arbeit vermitteln. Wie gut klappt das?

Ich bin zudem auch Maßnahmenleiter für ein Projekt im Werkhof, das Migranten und Flüchtlinge beschäftigt. Das Jobcenter weist sehr gerne Bürgergeld-Empfänger in diese Maßnahmen oder auch Zwei-Euro-Jobs zu, weil die Vermittler sagen: Die Sprache ist oft ein großes Hindernis. Und diese Maßnahme sieht eben auch Sprachunterricht vor, weshalb die Menschen auch gerne in diese Maßnahmen kommen.

 Das klingt, als müssten die Jobcenter nur besser ausgestattet werden, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Wie ist es um die Förderprogramme bestellt?

Man braucht sich in der Branche nur umzuhören: Das Jobcenter Nürnberg-Stadt hat ganz viele Mittel gestrichen. Regensburg-Stadt und Erlangen-Land sind noch relativ gut, München-Stadt ist sehr gut aufgestellt.

Viele haben noch Gelder, aber kleinere Jobcenter oder solche in kritischen Gegenden merken massiv, dass die Mittel eingeschränkt werden. Auch die Träger von "1plus1 - mit Arbeitslosen teilen" klagen, dass die Maßnahmen gekürzt werden. Bei dieser Aktion wird jeder gespendete Euro von der bayerischen Landeskirche verdoppelt.

Was heißt das für die Arbeitssuchenden?

Es trifft diejenigen, denen es guttäte, wieder in eine Tagesstruktur zu kommen. Es trifft aber vor allem auch die wertvollen Förderprogramme für Arbeitsverhältnisse, die auf fünf Jahre ausgerichtet sind und wo die Menschen im Anschluss häufig von den Arbeitgebern übernommen werden.

Ohne diese Programme könnten es sich die Arbeitgeber nicht leisten, jemanden einzustellen, der nicht zu 100 Prozent leistungsfähig ist aufgrund von Krankheit. Mittelkürzung hat zur Folge, dass weniger gegen Arbeitslosigkeit getan werden kann, in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt.

Neue Statistiken sagen, dass ein Viertel der Jugendlichen keine Berufsausbildung mehr hat.

Deshalb ist die Arbeit der Jugendwerkstätten so wertvoll, weil sie Jugendliche unterstützt, die keinen Ausbildungsplatz auf dem freien Arbeitsmarkt erhalten. In den Jugendwerkstätten, die vom Freistaat gefördert werden, erhalten sie die Möglichkeit, eine Berufsausbildung nachzuholen, sodass sie nicht mehr ohne in den Arbeitsmarkt entlassen werden.

Aber diese Ausbildungsprogramme müssen jedes Jahr neu beantragt werden, was wiederum eine große Verunsicherung für die jungen Leute mit sich bringt.

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