Im August hätte sie ihren 16. Geburtstag feiern können. 16 Jahre - was für ein aufregendes Alter! Vielleicht hätte sie schon ihren ersten Freund. Oder den ersten Liebeskummer. Doch all das durfte sie nicht erleben, denn sie wurde tot geboren. "Drei Wochen vor dem Entbindungstermin merkte ich, dass es keine Herzschläge mehr gibt", sagt Elisabeth Blecks aus dem thüringischen Rudolstadt. Aufgrund eines Gendefekts starb ihr "Sternenkind" im Mutterleib: "Sie hatte Trisomie 18."

Elisabeth Blecks teilt ihr Schicksal mit vielen Frauen: Tot- oder Fehlgeburten sind nicht selten. In den vergangenen Jahren stiegen die Zahlen der sogenannten Sternenkinder sogar deutlich an. Laut Statistischem Bundesamt gingen sie zwischen 2007 und 2021 um 24 Prozent in die Höhe. Insgesamt wurden 2021 bundesweit 3.420 Kinder tot geboren. Auf 1.000 lebendgeborene Kinder kommen 4,3 Totgeburten. Als "Totgeburt" gilt, wenn das Kind bei der Entbindung mindestens 500 Gramm wiegt oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde.

Elisabeth hatte Selbstmordgedanken

Elisabeth Blecks gehört zu den Frauen, die ein Kind tot zur Welt gebracht haben, und schildert ihre Verzweiflung: "Ich hatte zu jener Zeit manchmal sogar Selbstmordgedanken", sagt die Hebamme. Mütter mit demselben Schicksal, die sie in einer Selbsthilfegruppe traf, ließen sie wieder neue Hoffnung schöpfen. Seit der Tragödie vor 15 Jahren brachte Elisabeth Blecks denn auch drei gesunde Kinder zur Welt.

Birgit Wysocki vom Evangelischen Beratungszentrum Würzburg weist allerdings darauf hin, dass nicht jede Frau, die ihr Kind tot zur Welt bringt, in eine schwere psychische Krise stürzt. Allerdings sei für viele Frauen vor allem die Frage quälend, ob sie in der Schwangerschaft etwas falsch gemacht hätten. Nicht selten komme es auch zu Konflikten in der Partnerschaft. Männer trauerten anders, oft weniger "wortreich" als Frauen.

Frauen leiden nach Darstellung der Würzburger Schwangerenberaterin Heike Link darunter, wenn ihr Partner nicht reden will: "Sie fühlen sich alleingelassen", sagt Link.

Die Mitarbeiterinnen der Würzburger evangelischen Beratungsstelle stellen fest, dass die Zahlen in jüngster Zeit steigen. 2019 ließen sich sechs, im Jahr 2020 fünf betroffene Frauen erstmals beraten. 2021 sowie 2022 hingegen kamen jeweils 17 "Sternenkinder-Mamas" zur Erstberatung.

Keine Erklärung für steigende Zahlen

Warum die Zahlen steigen, dafür gibt es noch keine Erklärung. Auch Elisabeth Blecks, die als Hebamme im Frühjahr 2022 mit deutlich mehr Tot- und Fehlgeburten zu tun hatte als sonst, kann nur spekulieren. Sie denkt, dass die massiven psychischen Belastungen von Frauen in den aktuellen Krisenzeiten für den Anstieg an Tot- und Fehlgeburten mitverantwortlich sind.

Gräberfelder für Sternenkinder auf Friedhöfen werden von den Eltern als trostreich und stabilisierend erlebt. Deshalb setzt sich Juliane Frey im hessischen Niederdorfelden als Kommunalpolitikerin dafür ein, dass auf dem örtlichen Friedhof eine Grab- und Gedenkstätte für Sternenkinder eingerichtet wird.

"In meinem persönlichen und familiären Umfeld gibt es etliche Familien, die Sternenkinder bekommen haben", begründet die Sozialdemokratin ihr Engagement. Warum dies so ist, darauf weiß auch sie keine Antwort.

"Es mag mit daran liegen, dass heutzutage eher über solche Erfahrungen gesprochen wird als früher", meint sie. Sternenkinder hätten inzwischen einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft.

Dies bestätigt auch Elisabeth Blecks. Wie früher mit Frauen nach einer Totgeburt umgegangen wurde, empfindet sie als höchst brutal. Durch ihr Engagement in der Selbsthilfe weiß sie von Seniorinnen, die das, was ihnen vor 60 Jahren widerfahren ist, bis heute seelisch nicht verarbeitet haben. "Damals war es zum Beispiel üblich, dass die Mütter nicht einmal das Geschlecht ihres Sternenkindes erfahren durften", sagt die Hebamme.

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