Die Atommächte setzen laut dem Sipri-Institut verstärkt auf nukleare Abschreckung. Die neun Atomstaaten modernisierten nicht nur ihre nuklearen Arsenale, einige von ihnen hätten vergangenes Jahr auch neue Waffensysteme entwickelt, heißt es in dem Jahresbericht des in Stockholm ansässigen Friedensforschungsinstituts. "In fast allen atomar bewaffneten Staaten gibt es entweder Pläne oder einen deutlichen Vorstoß, die Atomstreitkräfte zu erhöhen", sagte Sipri-Forscher Hans Kristensen.

Russland hatte wegen der westlichen Unterstützung der Ukraine immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Im Mai 2024 hielt Russland nahe der ukrainischen Grenze taktische Atomwaffenübungen ab.

"Seit dem Kalten Krieg haben wir nicht mehr gesehen, dass Atomwaffen in den internationalen Beziehungen eine so wichtige Rolle gespielt haben",

sagte der Direktor des Sipri-Programms für Massenvernichtungswaffen, Wilfred Wan.

Weltweit gibt es den Sipri-Schätzungen zufolge rund 12.000 nukleare Sprengköpfe, von denen mehr als 9.500 einsatzfähig sind. Sie sind im Besitz der neun Atommächte USA, Russland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel. Auf die USA und Russland entfallen fast 90 Prozent der Atomwaffen.

Zahl der einsatzbereiten Atomwaffen steigt

Während die weltweite Gesamtzahl an Atomsprengköpfen aufgrund der schrittweisen Demontage von Waffen aus der Zeit des Kalten Krieges in den USA und Russland sinkt, steigt damit laut dem Sipri-Direktor Dan Smith die Zahl einsatzbereiter Atomsprengköpfe:

"Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen und wahrscheinlich beschleunigen."

Rund 2.100 der Sprengköpfe wurden laut Sipri im Jahr 2023 in hoher Alarmbereitschaft auf ballistischen Raketen gehalten, 100 mehr als im Vorjahr. Auch davon gehörten fast alle Russland oder den USA. Jedoch nehmen die Forscherinnen und Forscher zum ersten Mal an, dass auch China über einige Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft verfügen könnte. "China baut sein Nukleararsenal schneller aus als jedes andere Land", sagte Sipri-Forscher Kristensen. Dem Bericht zufolge legt aber auch Indien zunehmend Wert auf Waffen mit größerer Reichweite, darunter solche, die Ziele in ganz China erreichen können.

Neben den Kriegen in der Ukraine und dem Gaza-Streifen zählten die Sipri-Forscher für vergangenes Jahr Konflikte in 50 weiteren Staaten, unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, im Sudan oder in Myanmar. "Wir befinden uns in einer der gefährlichsten Phasen der Menschheitsgeschichte", sagte Sipri-Direktor Smith. "Es gibt zahlreiche Ursachen für Instabilität - politische Rivalitäten, wirtschaftliche Ungleichheiten, ökologische Störungen, ein sich beschleunigendes Wettrüsten." Es sei an der Zeit für die Großmächte, einen Schritt zurückzutreten und nachzudenken.

Nato-Staaten rüsten weiter auf

Mehr als die Hälfte der weltweiten Militärausgaben sind im vergangenen Jahr laut Friedensforschern auf die Nato-Staaten entfallen. Die Mitgliedsstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses gaben 2023 zusammen 1.341 Milliarden US-Dollar für das Militär aus. Weltweit lag die Summe laut Sipri-Bericht zu globalen Militärausgaben bei 2.443 Milliarden US-Dollar, so viel wie nie zuvor.

Dem Report zufolge haben die meisten europäischen Nato-Staaten 2023 im Vergleich zum Vorjahr ihre Militärausgaben erhöht. Der Anteil europäischer Staaten an den gesamten Militärausgaben der Nato-Mitglieder lag demnach bei 28 Prozent. Die deutschen Militärausgaben lagen laut den Sipri-Daten bei rund 67 Milliarden US-Dollar (rund 62,8 Milliarden Euro).

"Für die europäischen Nato-Staaten haben die vergangenen zwei Kriegsjahre in der Ukraine die Sicherheitsaussichten grundlegend verändert", sagte Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato. Der "Wandel in der Bedrohungswahrnehmung" spiegele sich in der steigenden Ausgaben wider.

Das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichten damit laut Sipri elf von 31 Mitgliedsländern (Stand 2023). Das Ziel besagt, dass jedes Nato-Land zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für das Militär ausgeben sollte. Scarazzato sagte, das Ziel werde "zunehmend als Basiswert und nicht als zu erreichende Schwelle angesehen". Schweden ist am 7. März 2024 als 32. Mitgliedsstaat dem Verteidigungsbündnis beigetreten.

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