Ich stoße immer wieder darauf und es ärgert mich: Wenn es um den Kampf gegen den Faschismus geht, ist oft die Rede davon, dass wir "den Hass besiegen" müssen. Das gilt auch für die Begleiterscheinungen faschistischer Ideologie wie Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie oder Homophobie.

Ob Trump, AfD oder Le Pen: Liebe statt Hass soll die Lösung sein. 

Doch Faschismus als bloßen "Hass" zu beschreiben, ist bestenfalls oberflächlich – und schlimmstenfalls naiv. Natürlich ist der Faschismus voller Hass. Hass auf alles, was nicht ins Bild zu passen scheint, was sich nicht einem Führerprinzip unterordnen will, was nicht dem Ideal einer völkisch-homogenen Gesellschaft entspricht. Aber wer ihn darauf reduziert, verkennt den Kern dieser Ideologie.

Faschismus ist kein Wutanfall

Faschismus ist kein impulsiver Wutausbruch, den man mit einer guten Portion Toleranz und bunten Blumen am Straßenrand besänftigen kann. Faschistische Parteien besiegt man nicht, indem man Partys feiert. Es geht dieser Ideologie ganz nüchtern um Macht, Kontrolle und die gezielte Zerstörung von Freiheit, Menschenwürde und Gleichheit.

Nun könnte man sagen, was soll's. Auch wenn die Analyse nicht stimmt – Hauptsache gegen faschistisches Denken, oder? Leider nicht. Denn das Problem mit der "Hass"-Erzählung ist, dass sie den Faschismus emotionalisiert und gleichzeitig entpolitisiert. Er wird zu einem rein menschlichen Makel, einer individuellen Charakterschwäche, einer Art moralischer Entgleisung.

Faschist*innen können jedoch privat sehr nette, höfliche Menschen sein, die – aus unterschiedlichen Gründen – dieser Ideologie anhängen. "Hass" ist als Bedingung für diese Einstellung weder notwendig noch hinreichend. 

Faschismus ist in erster Linie kein moralisches Problem, sondern eine ausgeklügelte politische Strategie, die sich ihrer Instrumente (Angst, Propaganda, Gewalt) bedient, um bestehende gesellschaftliche Strukturen zu zerstören und neue aufzubauen. Diese Ideologie lebt von Hierarchie, Über- und Unterordnung, autoritärer Kontrolle und bedient sich eines ausgeprägten Freund-Feind-Denkens, um Menschen gegeneinander auszuspielen.

Falsche Analyse verhindert wirkungsvolle Bekämpfung

Wenn wir diese Komplexität auf ein Gefühl wie Hass reduzieren, ignorieren wir die systemischen und strukturellen Aspekte, die den Faschismus so gefährlich machen. Und das hindert uns daran, ihn wirksam zu bekämpfen. Wir machen ihn sogar stärker statt schwächer.

Denn wenn wir das Problem aufgrund einer falschen Analyse verkennen, wenn der Kampf gegen den Faschismus auf dieser emotionalen Basis geführt wird - mit der Vorstellung, mehr Liebe und weniger Hass sei die Lösung - dann laufen wir ins Leere.

Unsere Geschichte lehrt uns: Faschismus bekämpft man nicht durch Umarmungen, sondern durch das Erkennen und Zerschlagen der Strukturen, die ihn fördern, durch die Beseitigung der ökonomischen Ungleichheiten, die seine Ausbreitung begünstigen. Doch solange die Analyse falsch ist, bleibt der Widerstand wirkungslos. Statt die Spielregeln des Systems zu ändern, wird nur an den Symptomen herumgedoktert.

Es reicht nicht, den Faschisten zu sagen, sie sollen weniger hassen. Wir müssen begreifen, dass Faschismus eine rationale, kühl kalkulierte Machtdoktrin ist, die weit über den emotionalen Impuls des Hasses hinausgeht. Nur so kann der Kampf gegen ihn konsequent und erfolgreich geführt werden.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden